Beiträge von Stone

    Es wäre interessant, ob diese Dynamik eines gestörten Therapeuten bedarf, wenn sie nicht durch diesen erkannt und kontrolliert wird, oder ob das "einfach so" passiert.

    Ich glaube, es gibt einfach Therapieansätze, die diese Entwicklungen enorm begünstigen, ohne dass ein Therapeut explizit gestört sein muss.

    Ich scheitere fürs erste drüber Nachdenken halt mal wieder daran, dass ich mich da nicht reinversetzen kann.

    Man sollte meinen, jeder Mensch wäre froh, wäre er nicht gestört und hätte er keine Krankheit.

    Sich diese Jacke schon beinahe freiwillig anzuziehen, das geht mir gerade echt ab.


    Jemand, der eine psychische Störung bewusst simuliert, hat ganz häufig eine Störung. Eben nur eine andere als die, die simuliert wird.

    Ich habe mir gerade mal den Bericht durchgelesen, und das ist schon bizarr, wie es dazu kam, dass die Patientin sich das ursprünglich ausgedacht hat, um die Aufmerksamkeit der Therapeutin zu erregen - und es später sogar eine Art gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit gab.


    Krasse Nummer.

    Ja, das war wirklich eine ziemlich krasse Nummer. Die Mechanismen dahinter sind allerdings gar nicht so krass, sondern kommen in abgeschwächter Form in Therapien häufiger vor.


    Die Grunddynamik ist ja relativ gängig. Der Therapeut nimmt eine empathische, zugewandte Führungsrolle ein, schenkt dem emotional vernachlässigten Patienten freundliche Zuwendung, er füllt eine Lücke, die latent einer Elternrolle gleichkommt, leitet an, interessiert sich, wird zunehmend wichtiger für den Patienten, und deshalb wird der Machtgradient immer größer. Der Patient begibt sich umgekehrt immer mehr in die Rolle des Geführten, des 'Kindes', und versucht, noch mehr Zuwendung zu generieren, zu gefallen, die Bindung zu stärken.


    Wenn der Psychologe dann damit beginnt, auf der Suche nach Traumata in den Kindheitserinnerungen des Patienten herumzustochern, vielleicht noch in Zusammenhang mit Hypnose oder anderen Techniken, die falsche Erinnerungen induzieren können, ist der Patient natürlich extrem kooperativ und schnell dazu geneigt, dem Psychologen das zu geben, was er 'will', und sich auf die Versuche der Traumata-Freilegung ausgiebig einzulassen, um vermeintliche Erwartungshaltungen zu erfüllen, selbst wenn sich dabei Realität und Fabrikation vermischen.

    Und dadurch, dass sich der Patient extrem willig darauf einlässt und solche Therapien damit arbeiten, zu wiederholen und zu wiederholen und noch mehr zu suchen und freizulegen und zu bearbeiten und dann erneut zu wiederholen und zu wiederholen, können dadurch nicht nur ganz leicht Fake-Erinnerungen induziert werden, die Selene ja auch schon erwähnt hatte, sondern der Patient rutscht auch gleichzeitig immer weiter in eine neue Rolle.


    In dieser Phase wird dann ja sehr intensiv mit Kindheitserinnerungen gearbeitet. Der Patient wird immer wieder zurückversetzt. "Du bist jetzt klein, deine Mutter steht am Herd, was siehst du? Was riechst du? Wie fühlt sich der Boden unter deinen kleinen Füßen an? Hast du deinen Hasen Bobo im Arm?" Details, Details, Details, die Erinnerung soll möglichst realistisch wiederkommen, damit man sie bearbeiten kann, damit das Trauma gesehen wird.

    Der Patient als Kleinkind steht immer mehr im Zentrum, er wird während der Freilegung auch so angesprochen, weil er sich möglichst tief in die Erinnerung begeben soll ("Hast du Bobo im Arm?", "Ist die Mama sauer?"), und übernimmt und kommuniziert in der Rolle: "Ich weiß nicht, wo Bobo ist", "Ich glaub, die Mama ist böse auf mich, ja." Der Patient versetzt sich also ganz bewusst und ganz tief in einen anderen mentalen Zustand, der mit infantilen Gedanken und Gefühlen einhergeht, und agiert ihn auch aus.

    Und von da aus ist es natürlich nur noch ein ganz, ganz kleiner Schritt, zu sagen: "Da kommt jetzt gerade die traumatisierte Kleinkind-Persönlichkeit an die Oberfläche, die abgespalten wurde, um den Host zu schützen. Diese Persönlichkeit ist immer noch sechs Jahre alt und hat Dinge erlebt, an die sich der Host nicht erinnert."


    Es ist also eigentlich ziemlich leicht, bestimmte Charaktere während einer Trauma-Therapie ungewollt in eine DIS-Richtung zu beeinflussen und ein 'Alterego' zu induzieren, selbst wenn das gar nicht das Ziel ist.

    Bei den exzentrischen Fällen fällt es mir bis heute schwer, das ernstzunehmen. Dieses "jetzt ist Host vorne, aber vorhin war Baby vorne, und gestern war ich ein 14 jähriger Schläger" ist mir einfach zu dumm, und ich fühle mich deutlich verarscht.


    Ich hatte bei manchen Fällen durchaus den Eindruck, dass der angeblich Betroffene geradezu damit kokettiert hat, so exotisch, besonders, hochintelligent und traumatisiert-tapfer zu sein.

    Gerade im Internet passiert das häufig. Ja.


    Dazu gibt es sogar ebenfalls schon Studien, weil selbst der Wissenschafts-Szene inzwischen aufgefallen ist, dass es diesen bizarren 'Ich bin auch total DIS'-Trend in sozialen Medien zu geben scheint.

    Aber ich glaube, dass die Störung oft aus unterschiedlichen Gründen in einen Betroffenen induziert wird, der eine andere (Meistens-Cluster-B)-Grundstörung hat, die sich auf diese Weise ein Ventil sucht.

    Ich will damit also sagen: Da ist eine Störung. Das ist kein Fake. Aber DIS-Problematiken sind oftmals nur ein draufgepropftes, induziertes Symptom, während die Grundstörung eine ganz andere ist.

    Du siehst sie nicht, richtig?

    Ich sehe schon, was du sagen willst.

    Und ich verstehe auch, wie Betroffene sich fühlen würden, wenn ich ihnen das sagen würde, was ich denke. Das würde ich auch nicht direkt so machen.


    Aber meine 'empathisch losgelösten', ehrlichen Gedanken zu dem Thema sind eben differenzierter und skeptischer.


    Na wenigstens plaudert von denen hin und wieder mal einer. :)

    Es gibt auch DIS-Betroffene, die im Nachhinein eingeräumt haben, ihre Zustände übertrieben dargestellt oder aufgrund von Induzierung erlebt zu haben.

    Allen voran Sybil, die ja in den 70ern durch den damit verbundenen Bestseller sowas wie eine Galionsfigur für die Störung darstellte – und dann später einräumt, dass sie die Störung bewusst herbeigerufen hatte, um Zuwendung und Aufmerksamkeit zu erhalten.

    https://www.npr.org/2011/10/20…e-personalities-were-fake


    Ich will damit nicht sagen, dass alle Betroffenen bewusst faken. Aber ich glaube, dass die Störung oft aus unterschiedlichen Gründen in einen Betroffenen induziert wird, der eine andere (Meistens-Cluster-B)-Grundstörung hat, die sich auf diese Weise ein Ventil sucht.

    Ja, ich wünschte für mich, mein Mist wäre so.

    Aber ich spreche doch gerade gar nicht über dich, ich spreche über mögliche Ursachen und Ausprägungen einer ganz anderen Störung.


    Aber eben, mich macht nachdenklich, dass die Zweifler dort und bei vergleichbaren Fällen ausnahmslos Nichtbetroffene sind.

    Das allein sagt doch nichts aus.


    Genauso könntest du sagen: "Es macht mich nachdenklich, dass diejenigen, die an Dämonenbesetzungen und Exorzismen zweifeln, alle Nichtbetroffene sind."

    Wenn man sich schon nicht benehmen könne, bräuchte man ja 'einfach' nur die Klappe zu halten und gar nichts sagen.

    Da verstehst du mich falsch, glaube ich. Das, was ich meine, geht tiefer als: "Das ist fake", oder: "Man kann doch einfach damit aufhören."


    Es geht dabei um Menschen, denen etwas suggeriert wird und die sich aus unterschiedlichen Gründen selbst etwas suggerieren, so lange, bis das für sie zu einer vermeintlichen Realität wird.


    Da ist dann schon eine Störung, sie ist nur anders geartet.