Salomons Paradox und die Außenperspektive

  • Ich bin gerade auf den Begriff "Salomons Paradox" gestoßen und wollte das einfach mal teilen, weil ich es interessant finde.


    König Salomon, der vor ungefähr 3000 Jahren über Israel geherrscht haben soll, ist ja bis heute für seine Klugheit und seine Fairness bekannt. Wir sprechen immer noch gelegentlich von einem "salomonischen Urteil", wenn wir eine Entscheidung besonders gerecht finden, oder auch von "salomonischer Weisheit", wenn jemand ein Talent dafür hat, komplexe Probleme auf überraschend simple Art mit gesundem Menschenverstand zu lösen.


    Damals reisten Leute angeblich Tausende von Meilen an, um sich von König Salomon in wichtigen Lebensfragen beraten zu lassen, weil er einfach so verdammt clever war.


    Diese Weisheit hatte aber einen blinden Fleck: Sobald Salomon Entscheidungen treffen musste, die sich auf sein Privatleben bezogen, kam nur Bullshit dabei heraus.

    Er mutierte immer mehr zu einer Art Partykönig, frönte exzessiv seinen Impulsen und Gelüsten, verschliss hunderte von Ehefrauen und Konkubinen, verprasste die Staatskasse, vergaß dabei komplett, seinen Sohn, den Thronfolger, angemessen zu erziehen, woraufhin dieser zu einem inkompetenten Tyrannen heranwuchs, und legte so den Grundstein für den schleichenden Niedergang seines eigenen Reiches.



    Dahinter steht ein psychologisches Konzept, das eigentlich jeder kennt: Es fällt uns oftmals sehr viel leichter, anderen Menschen gute Ratschläge zu geben, wenn wir eine Problematik von außen betrachten, aber wenn wir selbst betroffen sind, sieht die Sache plötzlich ganz anders aus. Man hat nicht genug Abstand. Man sieht das Gesamtbild nicht, weil man einfach zu nah dran ist.


    Hinzu kommt auch noch der Effekt, dass man sich selbst oftmals nicht so nachsichtig gegenübersteht wie anderen. Man bewertet sich selbst zu hart und dadurch wird die Wahrnehmung der gesamten Situation verzerrt.


    Wenn Menschen zum Beispiel einen kurzen Aufsatz darüber schreiben sollen, welche Stärken und Schwächen sie haben, fällt die Sache oftmals sehr selbstkritisch und tendenziell negativ aus – zumindest dann, wenn die normale Ich-Form verwendet werden soll.

    Gibt man hingegen vor, die Du-Form zu verwenden oder sogar in der dritten Person von sich zu erzählen, werden die Texte neutraler und wohlwollender.


    Das gedankliche "Du" hilft also bereits dabei, freundlicher zu sich selbst zu sein und vermeintliche Makel nicht überzubewerten.

    "Ich bin ein Versager" denkt sich offenbar leichter als "Du bist ein Versager", auch dann, wenn man mit beiden Aussagen sich selbst meint.

    Es kann also helfen, diesen Trick anzuwenden, um eine distanziertere, neutralere Perspektive einzunehmen, wenn man nach Lösungen sucht, zum Beispiel, indem man sich selbst einen Brief schreibt oder sich selbst gedanklich einfach mal in der "Du"-Form berät.



    Mir persönlich helfen Außenperspektiven allgemein stark weiter, nicht nur dabei, wohlwollend mit mir selbst umzugehen, sondern auch als Steuermechanismus, um die negativen Aspekte meiner Persönlichkeit unter Kontrolle zu halten.


    Irgendwo habe ich auch mal gelesen: "Wenn du ein Streitgespräch führst, stell dir vor, eine Kamera wäre auf dich gerichtet." Das hilft dabei, nicht auszuticken und sich zum Vollidioten zu machen, schätze ich.

    Ebenso hat man herausgefunden, dass verärgerte Kunden seltener komplett die Beherrschung verlieren, wenn hinter dem Angestellten, bei dem sie sich beschweren wollen, ein Spiegel an der Wand hängt, in dem sie sich selbst beobachten können.



    Welche Rolle spielen Außenperspektiven für euch? Nutzt ihr sie manchmal, um euch selbst objektiver zu betrachten?

  • Welche Rolle spielen Außenperspektiven für euch? Nutzt ihr sie manchmal, um euch selbst objektiver zu betrachten?

    ich habe einige innere "spielfiguren" die eine außenperspektive einnehmen können, falls das auch zählt.

    die sind mir gegenüber insgesamt wohlwollend, aber auch kritisch oder können mich auch wieder ein bissl runterholen, wenn ich auf irgend einem schrägen gedanken festsitze.

  • Was genau meinst du mit "Spielfiguren"? Verschiedene Persönlichkeitsanteile, die mal im Hintergrund und mal im Vordergrund sind?

    hm, nein, das trifft es irgendwie nicht so ganz.

    so rational betrachtet ist es wahrscheinlich so, daß die "inneren spielfiguren", die ich meine, irgendwie eigene persönlichkeitsanteile sind. aber bei denen, die ich jetzt meinte, ist es mehr das gefühl der außenperspektive, das dominiert, ich erlebe sie deshalb nicht als eigene persönlichkeitsanteile. ich aktzeptiere also die irrationale vorstellung, daß diese inneren spielfiguren von irgendwo außen her (mit mehr "überblick") auf mich einwirken, auch wenn ich nicht davon ausgehe, daß diese tatsächlich im "außen" existieren.

    aufgeschrieben klingt das jetzt viel seltsamer, als es sich anfühlt *lol*

  • hm, schwierig- es gibt eigentlich keine "typische" situation dafür, es kann eigentlich immer auftreten.

    aber bezugnehmend auf dein einleitendes posting kann zum beispiel so eine situation auftreten:

    "Wenn du ein Streitgespräch führst, stell dir vor, eine Kamera wäre auf dich gerichtet." Das hilft dabei, nicht auszuticken und sich zum Vollidioten zu machen, schätze ich.

    nur, daß da eben keine kamera ist, sondern eben eine spielfigur, die einem dieses außen-bild vermittelt, oder eben wie so ein spiegel ist, der hinter dem anderen aufgehängt ist. das hat nicht nur den effekt, daß man evtl. eher erkennen kann, daß man sich wahrscheinlich lächerlich macht, wenn man komplett austickt, sondern geht manchmal auch darüber hinaus und die außenstimme sagt bzw. zeigt einem, wie lächerlich überhaupt die ganze situation ist- als wäre man gleichzeitig teil der situation, aber auch ganz weit weg davon.... oder die außenstimme bringt eben mehr gelassenheit rein, in dem sie so beruhigende sachen sagt wie "ach komm, lass mal...."


    es geht aber auch umgekehrt, daß man evtl. selbst einem konflikt umbedingt ausweichen möchte, und das "ich", das in der situation steckt hat den impuls sich am liebsten in das nächste loch zu verkriechen, die spielfigur "von außen" oder mit mehr überblick dann aber irgend einen anderen zusammenhang erkennt, den man selbst nicht sehen kann und die stimme deshalb sagt: "nein, da solltest du jetzt echt keinen zentimeter mehr nachgeben." oder "DEM musst du dich jetzt stellen."


    vielleicht ist es am besten zu vergleichen mit so einer art intuition. die entsteht ja auch irgendwie im eigenen kopf/bauch/körper wie auch immer, aber im gegensatz zu einem "normalen" gedanken fühlt es sich eben so danach an, als würde etwas von außen "einfallen" (also man hat einen "einfall" ;-)) bzw. als würde man plötzlich dinge wahrnehmen, die eben so eine außenperspektive mit einer innenperspektive verbinden.

  • nur, daß da eben keine kamera ist, sondern eben eine spielfigur, die einem dieses außen-bild vermittelt, oder eben wie so ein spiegel ist, der hinter dem anderen aufgehängt ist. das hat nicht nur den effekt, daß man evtl. eher erkennen kann, daß man sich wahrscheinlich lächerlich macht, wenn man komplett austickt, sondern geht manchmal auch darüber hinaus und die außenstimme sagt bzw. zeigt einem, wie lächerlich überhaupt die ganze situation ist- als wäre man gleichzeitig teil der situation, aber auch ganz weit weg davon....

    Ah.


    Ja, das kenne ich auch. Ich betrachte das nur nicht personifiziert als 'Spielfigur'.


    Mir ist neulich auch mal aufgefallen, dass ich, wenn ich über Handlungsoptionen und Zukunftsszenarien nachdenke und dabei etwas visualisiere, die Sache von innen und von außen gleichzeitig sehe, wobei die externe Perspektive die dominantere ist. Das heißt wohl, ich beschäftige mich in solchen Momenten offenbar mehr mit der Frage: Wie wirkt eine Handlung auf andere Anwesende? Anstatt: Wie fühlt sich eine Handlung für mich selbst an?

  • Zitat

    Welche Rolle spielen Außenperspektiven für euch? Nutzt ihr sie manchmal, um euch selbst objektiver zu betrachten?


    Ich bin ein Mensch, der sich stark über die Außenperspektive steuert. Das bedeutet weniger, dass ich mich frage, wie andere mich sehen, sondern eher, ob ich meinem eigenen Kodex folge. Mir ist eine bestimmte Haltung sehr wichtig, ein bestimmtes Verhalten, und das beobachte ich und justiere es nach, falls notwendig.


    Für die Beschäftigung mit meiner Innenperspektive benötige ich eine gewisse Ruhe, eine bestimmte Stimmung und eine Umgebung, in der das möglich ist.

  • Ich betrachte das nur nicht personifiziert als 'Spielfigur'.

    ja, also es ist nicht so, daß ich mir das so aussuche. diese spielfiguren begegnen mir halt großteils so. *g*

    es ist aber irgendwie hilfreich in dem sinne, daß ich dann auch ein bild davon habe, "wer"bzw. "von wo" gesprochen wird.

    außerdem kann ich diese figuren auch sozusagen selbst ansprechen, wenn ich das gefühl habe, das mir das gerade was bringen würde.

    wobei ich noch dazu sagen möchte: es ist keine außenperspektive in dem sinne, daß es so ist, wie andere anwesende mich in der situation sehen würden, denn die sind ja auch in der situation, haben halt nur die andere "seite" inne.

    es sind außen-außenperspektiven. quasi wie alien- perspektiven. *g*

    Das heißt wohl, ich beschäftige mich in solchen Momenten offenbar mehr mit der Frage: Wie wirkt eine Handlung auf andere Anwesende? Anstatt: Wie fühlt sich eine Handlung für mich selbst an?

    denkst du, daß du damit dein gefühl, das mit der handlung verbunden ist, auch ein bissl "verlierst", oder liest sich das für mich nur so?

  • Mir ist neulich auch mal aufgefallen, dass ich, wenn ich über Handlungsoptionen und Zukunftsszenarien nachdenke und dabei etwas visualisiere, die Sache von innen und von außen gleichzeitig sehe, wobei die externe Perspektive die dominantere ist. Das heißt wohl, ich beschäftige mich in solchen Momenten offenbar mehr mit der Frage: Wie wirkt eine Handlung auf andere Anwesende? Anstatt: Wie fühlt sich eine Handlung für mich selbst an?


    Das ist bei mir sehr ähnlich.


    Allerdings ist der Goldstandard meine eigene Bewertungsskala, also nicht: "Wie sieht Hans Wurst da drüben mich", sondern "Wie sieht Outlaw sich?"


    Das weicht natürlich ab, wenn es ein gewisses Zielpublikum gibt, also bei einer Preisverhandlung oder ähnlichem.

    Da muss man den Blick darauf haben, wie das Gegenüber das Geschehen einschätzt.


    Wie sich eine Handlung für mich anfühlt, erlebe ich selten eins zu eins mit. Das ist bei mir häufig ganz seltsam zeitverzögert, außer es sind starke Impulse.

  • Gerade das eigene Verhalten, die Positionierung, die eigenen Reaktionen sind doch dazu prädestiniert, von außen betrachtet zu werden. Oder meintest du etwas anderes?

    verhalten, ja. unter "haltung" hab ich mir was anderes vorgestellt, mehr so die innere haltung zu etwas.

    das merkt man bestimmt auch irgendwie von außen, aber greifbarer wird es für mich, wenn ich mich hierfür in die innenperspektive begebe.

  • Mit "Haltung" meinte ich Dinge wie "Selbstdisziplin" etc.

    ja, verstehe. wobei da der außenblick auch trügerisch sein kann, find ich. also das beziehe ich jetzt auf andere menschen, wo ich tatsächlich eine außenperspektive habe.

    man kann den unterschied merken, ob etwas einer haltung entspricht, die sozusagen im innen und außen wirkt, oder ob es dinge sind, die vorwiegend dazu da sind, um nach außen zu wirken. das beziehe ich jetzt nicht auf dich, sondern ist allgemein gemeint, weil es mir- gerade im bezug auf "selbstdisziplin" schon öfters begegnet ist, daß menschen, die einen großen wert darauf legen, selbstdisziplin nach außen zu tragen, innerlich eine haltung haben, die ganz andere motivationen verbirgt.

  • Dass Disziplin Steuerung bedeutet und ganz neutral betrachtet Impulse in eine andere Richtung lenkt.

    ok, ja, das stimmt natürlich. an dieses "spezifikum" von selbstdisziplin hab ich gar nicht so richtig gedacht. ich habs einfach als beispiel genommen, es hätte aber auch was anderes sein können.


    mein grundgedanke war eher der, daß haltungen, die sehr auf die außenperspektive abgestimmt sind, öfters "schräg" zu einer inneren haltung stehen. und daß man das merkt.

    es ist z.b. ein großer unterschied, ob man tatsächlich gelassen ist, oder nur einen gelassenen eindruck erwecken will, und damit eigentlich "überdeckt" daß man in wirklichkeit ganz und gar nicht gelassen ist *g*

    für mich bringt es da mehr, die innere haltung "nachzujustieren", bzw. die innere und die äußere haltung irgendwie in einklang zu bringen.

  • Ich kenne es schon, dass ich für andere Leute hilfreich sein kann, aus der Aussenperspektive vielleicht etwas wahrnehmen kann, was der andere im Moment nicht sieht.


    Um das dann aber zu vermitteln, ist es auch wichtig, dass ich eine gewisse Empathie für den inneren Zustand des "Ratsuchenden" habe, damit mein Ratschlag nicht als "Schlag" empfunden wird, sondern als hilfreiche Sichtweise gesehen wird, die der andere im Moment von selbst nicht sehen konnte.


    Diese blinden Flecke bei sich selbst kennt wohl jeder allzu gut.


    Ansonsten ist es halt so, dass ich mich im Umgang mit anderen halt auch ziemlich oft aus der Außenperspektive sehe, das heißt, ich glaube, mich so zu sehen, wie andere mich sehen könnten. Trotzdem kommt es ja immer noch von mir, ich kann ja nicht wirklich wissen, wie der andere mich sieht.


    Ich achte darauf, dass ich im realen Leben von anderen Menschen als halbwegs funktionstüchtig gesehen werde, also in meinem Rahmen. Da ist aber häufig eine Diskrepanz zu meinem eigenen inneren Erleben, in dem halt die andere Seite, die funktionsuntüchtige gesehen wird von mir.


    Gleichzeitig habe ich den Wunsch, einfach so gesehen zu werden, wie ich wirklich in dem Moment bin, mit dem Bedürfnis dazu, so auch akzeptiert zu werden.


    Besonders gut fühle ich mich in Momenten, in denen ich mich innerlich sowie von außen betrachtet als eins fühlen kann, also als Ganzes..


    Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe.

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