Normabweichend in Bezug auf Emotionen

  • Emotionen und Gefühle (ist das eigentlich dasselbe?)

    Die Begrifflichkeiten gehen ziemlich durcheinander. Naturwissenschaftlich gesehen sind Emotionen aber eher die universell übereinstimmenden, unmittelbaren, bottom-up entstehenden, mess- und wahrnehmbaren Reaktionen auf bestimmte Reize (z.B. Freude, Angst, Überraschung, Ärger), während Gefühle sich in der Regel langsamer entwickeln (und oft auch länger anhalten), vielfältiger sind und individuell stärker differieren - je nach Art der Verarbeitung und Bewertung emotional relevanter Reize durch die jeweiligen Personen.


    In diesem Interview mit Antonio Damasio wird das ganz gut erklärt, finde ich:


    https://www.scientificamerican…icle/feeling-our-emotions


    Ich habe den Eindruck, dass ich Emotionen und Gefühle (ist das eigentlich dasselbe?) nicht so lange halten kann, wie ich das bei anderen Menschen beobachte. Sie entgleiten mir quasi schnell. Und ich kann mich dann auf einer emotionalen Ebene kaum noch daran erinnern, wie sich das angefühlt hat. (...)


    Das gesamte Themenfeld "Emotion" wird in mir überwiegend als "fragwürdig" bewertet. Es fühlt sich "fremd" an, als Abweichung meines Normzustandes.


    Das alles führt in der Gesamtheit dazu, dass ich Dinge aus einer anderen Perspektive wahrnehme als die Menschen um mich herum; recht distanziert und unverbunden bin, häufig gelangweilt, häufig desinteressiert, gleichgültig, ohne Antrieb.

    Trifft das aus deiner Sicht auf all deine Gemütsbewegungen gleichermaßen zu? Oder gibt es dabei - ggf. systematische - Unterschiede?


    Gleichzeitig ist es so, dass ich auch nicht sehr empfänglich bin für die Emotionen anderer. Ich spiegle wenig, in mir drin. Ich nehme das stattdessen eher über den Verstand wahr, also durch aktive Beobachtung und Analyse. (...)

    Kannst du mit der Idee was anfangen, dass du durch diesen Analysevorgang möglicherweise auch Emotionen/Gefühle rationalisierst bzw. dir alternativ erklärst, und sie daher gar nicht als solche wahrnimmst?


    Ein weiterer Aspekt ist, was überhaupt Emotionen in mir auslöst. Das ist irgendwie eine seltsame, irrationale Mischung und hat viel mit Kontrolle, Ressourcenerlangung und -erhaltung, Außenwirkung, Souveränität und Autarkie zu tun.

    Was für Emotionen verspürst du dann? Wie zeigen sie sich? Kannst du mal ein Beispiel nennen?

  • Naturwissenschaftlich gesehen sind Emotionen aber eher die universell übereinstimmenden, unmittelbaren, bottom-up entstehenden, mess- und wahrnehmbaren Reaktionen auf bestimmte Reize (z.B. Freude, Angst, Überraschung, Ärger), während Gefühle sich in der Regel langsamer entwickeln (und oft auch länger anhalten), vielfältiger sind und individuell stärker differieren - je nach Art der Verarbeitung und Bewertung emotional relevanter Reize durch die jeweiligen Personen.

    Interessant. Ich habe die Begriffe bisher immer synonym verwendet.

  • In diesem Interview mit Antonio Damasio wird das ganz gut erklärt, finde ich:


    Danke dafür. Ich weiß nicht, ob ich das korrekt verstanden habe. Emotionen sind die affektive Erstreaktion und Gefühle das, was danach kommt?




    Zitat

    Trifft das aus deiner Sicht auf all deine Gemütsbewegungen gleichermaßen zu? Oder gibt es dabei - ggf. systematische - Unterschiede?


    Ich glaube, tendenziell ist das im Ergebnis recht gleichmäßig.



    Zitat

    Kannst du mit der Idee was anfangen, dass du durch diesen Analysevorgang möglicherweise auch Emotionen/Gefühle rationalisierst bzw. dir alternativ erklärst, und sie daher gar nicht als solche wahrnimmst?


    Geht sowas überhaupt?

    Wären sie nicht gleichzeitig dennoch da?


    Ich denke nicht, dass ich das tue. Ich begründe das damit, dass ich punktuell ja durchaus emotional reagieren kann.



    Zitat

    Was für Emotionen verspürst du dann? Wie zeigen sie sich? Kannst du mal ein Beispiel nennen?


    Ah, da bin ich bewusst allgemein geblieben in meiner Schilderung.

  • Da mein Englisch nicht gut genug ist, war mir nicht möglich, diesen link zu lesen und einen Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen zu verstehen.

    Der Neurologe beschreibt Emotionen als körperliche Reaktionen auf Stimulationen. Wenn ein Mensch zum Beispiel Angst verspürt, erhöht sich die Herzfrequenz, der Mund wird trocken, Muskeln spannen sich an.

    Aus diesen Emotionen wird erst dann ein Gefühl, wenn das Gehirn diese körperlichen Reaktionen wahrnimmt und interpretiert.

  • Um solche Reaktionen auszulösen, müsste ich aber schon dem bösen Wolf begegnen.

    Um daraus ein Gefühl enstehen zu lassen, braucht es - zumindest bei mir - Erinnerungen

    an ähnliche Situationen, Wünsche, Abneigungen. . . .

    .

    Einmal editiert, zuletzt von Jelenka () aus folgendem Grund: Tippfee...

  • Man wird auch in der Regel negativ bewertet, wenn man manchmal besonders intensiv fühlt, und dann seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat.

    Ich denke, bei Emotionen kommt das immer sehr auf den Kontext an. Dass man "in der Regel" für hohe Emotionalität negativ bewertet wird, würde ich eher nicht sagen. Oder finden Menschen jemanden unsympathisch, der schnell bei traurigen Filmen weint und das nicht steuern kann? Oder jemanden, der begeistert mitlacht, wenn ein Kind sich über ein Spielzeug freut? Oder jemanden, der sich Hals über Kopf verliebt hat?

    Den Eindruck habe ich eigentlich gar nicht.

    Meiner Erfahrung nach macht hohe Emotionalität Menschen in den Augen anderer Menschen tendenziell sogar sympathisch, gerade dann, wenn sie mit hoher Empathie einhergeht.


    Problematisch wird die Sache nur dann, wenn die Kombination hohe Emotionalität + geringe (oder sehr selektive) Empathie besteht. Also dann, wenn Leute ihre Emotionen ausleben und dabei immer wieder einen Punkt erreichen, an dem es ihnen egal ist, ob ihr Gegenüber darunter zu leiden hat.

    Da ist das Problem dann aber nicht die hohe Emotionalität, sondern die Egozentrik und das mangelnde Auge für das Wohlergehen anderer.

  • Interessant. Ich habe die Begriffe bisher immer synonym verwendet.

    Das ist ja eigentlich auch üblich. Und für den Alltag spielt eine genaue Unterscheidung normalerweise auch keine große Rolle, denke ich.


    Danke dafür. Ich weiß nicht, ob ich das korrekt verstanden habe. Emotionen sind die affektive Erstreaktion und Gefühle das, was danach kommt?

    Genau.


    Wobei Gefühle auf vielerlei Art entstehen können... dazu braucht es nicht zwingend bestimmte Emotionen als Auslöser. Andersherum aber werden wohl Emotionen, die man erlebt hat, immer in irgendeiner Weise mental verarbeitet und fließen in die Entstehung von Gefühlen ein.


    Um solche Reaktionen auszulösen, müsste ich aber schon dem bösen Wolf begegnen.

    Un daraus ein Gefühl enstehen zu lassen, braucht es - zumindest bei mir - Erinnerungen

    an ähnliche Situationen, Wünsche, Abneigungen. . . .

    Ja, das entspricht genau dem Konzept, das Damasio beschreibt.


    Bei einer direkten Konfrontation mit einem aggressiven großen Hund reagiert man in aller Regel mit einer bestimmten Mimik und Gestik, im Körper wird eine Stressreaktion ausgelöst, Adrenalin wird ausgeschüttet, Puls und Atmung erhöhen sich, es bricht einem der Schweiß aus, die Muskeln spannen sich an, man hebt abwehrend die Hände usw. - das ist die Emotion "Angst". Diese Reaktion kann man deutlich erkennen und messen. Sie geschieht unwillkürlich, ohne dass man darüber nachdenkt oder sie groß beeinflussen könnte. Und sie ist bei allen Menschen weltweit sehr ähnlich.


    Welche Gefühle sich dann ergeben, wenn man über die Situation nachdenkt und sie bewertet, kann aber individuell sehr unterschiedlich sein. Person A ist vielleicht tierlieb, hatte als Kind einen Hund, an dem sie sehr hing - bei ihr könnte also ein Gefühl der Unsicherheit Hunden gegenüber entstehen. Person B dagegen kann mit Tieren überhaupt nichts anfangen, musste als Kind immer mit dem sabbernden müffelnden Hund der Oma spazierengehen - daraus könnte sich ein Gefühl der kompletten Ablehnung entwickeln.


    Gefühle sind nach diesem Konzept also viel differenzierter, individueller, abhängiger von persönlichen Erfahrungen, Einstellungen, Werten etc.. Dementsprechend hat man auch größeren Einfluss darauf und kann sie bewusster steuern und modifizieren als Emotionen.


    Ich glaube, tendenziell ist das im Ergebnis recht gleichmäßig.

    Hm, ok. Ich hatte an einen Unterschied bezüglich positiver/zugewandter und negativer/abweisender Empfindungen gedacht.


    Geht sowas überhaupt?

    Wären sie nicht gleichzeitig dennoch da?


    Ich denke nicht, dass ich das tue. Ich begründe das damit, dass ich punktuell ja durchaus emotional reagieren kann.

    Ich glaube schon, dass das geht. Klar wären die Empfindungen trotzdem noch da - aber wenn man sie nicht als solche wahrnimmt, sind sie für einen selbst eben nicht identifizierbar.


    Und dass man punktuell durchaus auch emotional reagieren kann, spricht aus meiner Sicht nicht dagegen. Ich meine damit ja kein absolutes Entweder - Oder.


    Ah, da bin ich bewusst allgemein geblieben in meiner Schilderung.

    Ach so.

  • Hm, ok. Ich hatte an einen Unterschied bezüglich positiver/zugewandter und negativer/abweisender Empfindungen gedacht.


    Ich weiß.



    Zitat

    Ich glaube schon, dass das geht. Klar wären die Empfindungen trotzdem noch da - aber wenn man sie nicht als solche wahrnimmt, sind sie für einen selbst eben nicht identifizierbar.


    Und dass man punktuell durchaus auch emotional reagieren kann, spricht aus meiner Sicht nicht dagegen. Ich meine damit ja kein absolutes Entweder - Oder.


    Ich glaube nicht, dass ich meine Emotionen/Gefühle weganalysiere.

  • The Outlaw


    Ich überlege gerade, ob das, was du im Eingangsbeitrag beschreibst, einfach nur ein extrem niedriger Neurotizismus-Wert sein könnte.


    Es gibt ja das Big-Five-Persönlichkeitsmodell, das in der Psychologie die Hauptdimensionen von Charakteren beschreibt (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus).


    Menschen mit hohen Neurotizismus-Werten sind tendenziell launisch, impulsiv-emotional, verletzlich und anfällig für Stress, Ängste, Überforderung, Einsamkeit, Frustration. Sie reagieren schnell und stark auf externe Reize, sind unsicher in zwischenmenschlichen Beziehungen, entwickeln schneller Schuldgefühle, können Gefühle schwer kontrollieren und fahren emotional ganz gerne mal 'Achterbahn'.


    Niedrige Neurotizismus-Werte gehen hingegen mit emotionaler Stabilität, Stressresistenz und emotionaler Flachheit einher.


    Leider gibt es kaum Material darüber, welche negativen Effekte am unneurotischen Ende des Spektrums auftreten, während die Auswirkungen von hohem Neurotizismus sehr bekannt sind. Vielleicht auch deshalb, weil Letztere negativ auffallen und schnell zu hohem Leidensdruck für die Betroffenen und ihrem Umfeld führen. Im Gegensatz dazu ist niedriger Neurotizismus mit hoher Leistungsfähigkeit verbunden, während die negativen Effekte eher subtil sind und nicht laut und emotional in Erscheinung treten.



    Du schreibst:

    Zitat

    Das alles führt in der Gesamtheit dazu, dass ich Dinge aus einer anderen Perspektive wahrnehme als die Menschen um mich herum; recht distanziert und unverbunden bin, häufig gelangweilt, häufig desinteressiert, gleichgültig, ohne Antrieb.


    Vielleicht ist das einfach die logische Konsequenz, wenn Reize nur wenig Reaktion auslösen und wenn die Achterbahn, die andere regelmäßig fahren, bei einem selbst eher eine horizontale Schienenstrecke darstellt.

  • Ich bemerke, dass ich innerhalb von Konflikten, Problemen etc. anders reagiere als andere Menschen.


    Ich kann situativ sehr aufgebracht sein, und das kann sich offen oder verdeckt oder gemischt darstellen. So weit, so gut.


    Was ich dann bemerke, das ist, dass ich Konflikte in Größenordnungen schneller überwinde als andere Menschen, weil meine "interne Berechnung" andere Faktoren zu berücksichtigen zu scheint als gemeinhin üblich. Damit meine ich, dass ich meine Guthaben und die des Gegenübers klar vor Augen habe, ebenso die Fehlleistungen des Konfliktgegenübers, und das nehme ich dann alles in eine Formel, und dann ziehe ich am Ende meine Fehlleistung ab.


    Und dann habe ich für gewöhnlich immer noch gut Spielraum auf der Guthabenseite, und dann bin ich eigentlich ganz selbstzufrieden, denn durch meine emotionale Vergesslichkeit ist das alles dann etwas ganz anderes für mich als für das Gegenüber, und ich frage mich, ob das wohl damit zusammenhängt, wenn Menschen sich irgendwann von mir abwenden.

  • Und dann habe ich für gewöhnlich immer noch gut Spielraum auf der Guthabenseite, und dann bin ich eigentlich ganz selbstzufrieden, denn durch meine emotionale Vergesslichkeit ist das alles dann etwas ganz anderes für mich als für das Gegenüber, und ich frage mich, ob das wohl damit zusammenhängt, wenn Menschen sich irgendwann von mir abwenden.

    Meinst du damit, dass du dann sehr schnell wieder locker und zufrieden bist und den Konflikt 'vergisst', während dein Gegenüber den fehlenden Nachhall als eine Art von Gleichgültigkeit wahrnimmt?

  • Meinst du damit, dass du dann sehr schnell wieder locker und zufrieden bist und den Konflikt 'vergisst', während dein Gegenüber den fehlenden Nachhall als eine Art von Gleichgültigkeit wahrnimmt?


    Ja.


    Ich selber nehme mich allerdings nicht als gleichgültig wahr, sondern ich kalkuliere da vielleicht einfach anders, gewichte anders, und vielleicht bin ich da auch einfach schneller.

    Das ist umgekehrt auch tendenziell so: Bis zu einem gewissen Grad bin ich sehr "tolerant" (weiß nicht, ob das Wort passt, aber du kennst mich gut und hast vielleicht ein besseres) gegenüber "Fehlleistungen" von Menschen, die ein Guthaben bei mir besitzen und von denen ich davon ausgehe, dass sie langfristig weiter ins Konto investieren. (Dieser harmlose Nebensatz erscheint mir gerade recht interessant, also das Gewicht der Einschätzung zukünftigen beidseitigen Investierenwollens, da muss ich mal drüber nachdenken, wie ich das wohl priorisiere, denn das ist ein interessanter Teilaspekt der Vertrauensfrage).

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