Chimären - Assoziationen und Ethik

  • Was ist eine Chimäre?



    Wikipedia sagt:


    "Chimäre nennt man in Medizin und Biologie einen Organismus, der aus genetisch unterschiedlichen Zellen bzw. Geweben aufgebaut ist und dennoch ein einheitliches Individuum darstellt.[1] Die unterschiedlichen Zellen eines solchen chimären Organismus stammen aus verschiedenen befruchteten Eizellen.[2] Ob die unterschiedlichen Zellen von Individuen der gleichen Art oder von verschiedenen Arten stammen, ist für die Definition unerheblich. Die Chimäre muss abgegrenzt werden vom Mosaik, in dem zwar ebenfalls genetisch verschiedene Zellen vorkommen, die aber alle aus derselben befruchteten Eizelle stammen, und vom Arthybriden, der normalerweise aus einer einzigen befruchteten Eizelle stammt, aber Elternteile aus verschiedenen Arten hat, wie z. B. das Maultier."



    Nun las ich soeben, nachdem ich mich 2019 das letzte Mal damit befasst hatte, folgende Meldung beim Durchscrollen (Quelle: ntv):



    "Ein us-chinesisches Forscherteam hat Studiendaten veröffentlicht, wonach erfolgreich menschliches Erbgut in Affen-Embryos eingepflanzt wurde. Die entstandenen Zellen haben demnach im Labor fast drei Wochen überlebt, bevor sie gezielt zerstört wurden. Die Nachricht hat einmal mehr die Debatte um ethische Implikationen solcher Experimente befeuert. In der Vergangenheit waren bereits menschliche Zellen mit denen von Schafen oder Ziegen zu sogenannten "Chimären" gekreuzt worden. Die Forschung soll etwa dazu beitragen, künstlich Organe zu züchten, die für Transplantationen verwendet werden können."


    Was sind eure Gedanken und Assoziationen zu dem Thema?

  • Hier ein Auszug aus der Süddeutschen Zeitung:


    "Die Experimente sind nicht nur wegen der ethischen Fragen, die sie aufwerfen, erstaunlich. Aufsehenerregend ist auch, dass sie überhaupt gelungen sind. Nie zuvor haben Tier-Mensch-Embryonen so lange in der Kulturschale überlebt. Frühere Versuche mit Chimären von Mensch und Schwein sowie von Mensch und Maus waren gescheitert - womöglich wegen der größeren Artbarriere. Die Affe-Mensch-Chimären scheinen hingegen recht lebenstüchtig zu sein, doch daraus ergibt sich eine bange Ahnung: Würden sie einer menschlichen oder tierischen Leihmutter eingepflanzt, könnten sie sich womöglich zu einem eigenständigen Lebewesen entwickeln.

    Izpisua Belmonte versichert, dass er so etwas keineswegs vorhabe. Auch hätten Ethikkommissionen seine Experimente zuvor begutachtet. "Es ist unsere Verantwortung als Wissenschaftler, unsere Forschung gut zu durchdenken und allen ethischen, rechtlichen und sozialen Richtlinien zu folgen", sagte er. Ziel seiner Experimente sei es, die Embryonalentwicklung besser zu verstehen. Auch arbeitet er schon seit langem daran, in Schweinen menschliche Organe und Gewebe für kranke Menschen zu züchten."

  • Mein erster Gedanke dazu ist: Mit Genetik ist es so ähnlich wie mit Kernspaltung. Kann sehr nützlich sein, kann aber auch gigantischen Schaden anrichten.

    Der Gedanke, dass ich mich darauf verlassen muss, dass jeder, der auf diese Technologien Zugriff hat, angemessen verantwortungsvoll damit umgeht, gefällt mir überhaupt nicht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass das in der Praxis von allen Beteiligten so gehandhabt wird, ist verschwindend gering.

  • Es ist halt die Frage, wieviel einer Gesellschaft die Heilung von Krankheiten und der Tier- und Menschenschutz wert sind.

    Wenn es technisch möglich sein wird, lebende Chimären zu züchten, wird es irgendjemand tun. Und dann landet man bei der Frage, ab welchem "Menschheitsgrad" so ein Wesen menschlich ist und welche Rechte man zugesteht.


    Ich bin da sehr skeptisch, gesellschaftlich, finde das aber auch total spannend.

  • Sehr interessant in dem Zusammenhang ist übrigens das Thema Chimären in der Virologie.


    Hier ein sehr interessanter Artikel (Link zum Artikel, lohnt sich: nzz.ch), der sowohl das Thema "Chimären" anreißt, als auch die Ausbruchsszenarien zur aktuellen Pandemie gut recherchiert darstellt:


    "Während ihrer jahrelangen Jagd nach dem Ursprung des Sars-Virus hat Shi Zhengli eine riesige Sammlung von Coronaviren angelegt. Mit einigen davon experimentiert sie: Sie baut zwei Viren mit unterschiedlichen Eigenschaften zu einer Chimäre zusammen, so entstehen künstliche Mischwesen. Die Idee dahinter ist es, Viren so zu verändern, dass sie für den Menschen stärker ansteckend werden und zu mehr Todesopfer führen würden.


    Das tönt schauderhaft, doch dahinter steckt eine gute Absicht. Diese Art von Forschung ist bekannt als «gain of function», was mit «Steigerung der Wirkung» übersetzt werden kann. Die Forscher versuchen, der Natur einen Schritt voraus zu sein. Experimentiert wird in einem Hochsicherheitslabor mitten in der 11-Millionen-Metropole Wuhan. Es soll eine Mutation geschaffen werden, die später vielleicht auf natürlichem Weg entstehen könnte. So erhoffen sich die Forscher einen Vorsprung bei der Entwicklung von Impfstoffen oder Medikamenten im Hinblick auf den Ausbruch eines neuen Virus.

    Das Institut für Virologie in Wuhan gehört zu den weltweit führenden Institutionen in der «gain of function»-Forschung. Es war auch an der Entwicklung des antiviralen Mittels Remdesivir beteiligt, das derzeit bei der Behandlung von Covid-19-Patienten eingesetzt wird."



    Und ein Auszug aus Wikipedia (der ganze Beitrag ist hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Gain-of-function-Forschung) zu den Risiken der Gain of Function-Forschung:


    "Declan Butler fasste 2011 die Erfahrungen der Vergangenheit so zusammen: das Risiko, dass die neue Variante H5N1 aus einem Labor entweicht, ist alles andere als vernachlässigbar. In den letzten zehn Jahren hat das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS) versehentlich Mitarbeiter in vier Hochsicherheitslabors in China, Taiwan und Singapur infiziert, die als BSL-3 und BSL-4 eingestuft waren.

    Ein im September veröffentlichter Bericht des US-amerikanischen National Research Council beschreibt 395 Biosicherheitsverstöße bei der Arbeit mit selektiven Wirkstoffen in den USA zwischen 2003 und 2009 – darunter sieben laborbedingte Infektionen –, bei denen das Risiko einer versehentlichen Freisetzung gefährlicher Erreger aus Hochsicherheitslaboren bestand.


    Nach Butler ist die wissenschaftliche Gemeinschaft uneins, ob der praktische Nutzen der Forschung die Risiken einer versehentlichen oder absichtlichen Freisetzung eines im Labor erzeugten Grippestamms überwiegt. Ian Lipkin, ein Spezialist für neu auftretende Infektionskrankheiten an der Columbia University in New York, glaubt, dass die Risiken hoch sind und, was noch schlimmer ist, dass solche Forschungen in Laboren mit unzureichenden Biosicherheitsstandards durchgeführt werden könnten."

  • Ein im September veröffentlichter Bericht des US-amerikanischen National Research Council beschreibt 395 Biosicherheitsverstöße bei der Arbeit mit selektiven Wirkstoffen in den USA zwischen 2003 und 2009 – darunter sieben laborbedingte Infektionen –, bei denen das Risiko einer versehentlichen Freisetzung gefährlicher Erreger aus Hochsicherheitslaboren bestand.

    Ich sag's ja: Es behagt mir nicht, mich darauf verlassen zu müssen, dass mit diesen Technologien stets verantwortungsvoll umgegangen wird.



    Wobei ich gleichzeitig natürlich ebenfalls das Potential sehe. Durch Genetik besteht die Chance, sehr viel Leid von der Bildfläche zu tilgen und einen Entwicklungsprozess zu starten, der die Menschheit auf eine vollkommen andere Stufe hebeln kann. Es wäre eine neue Art der extrem beschleunigten Evolution, die nicht allein auf Trial&Error basiert.


    Und ohne jetzt an 'Intelligent Design' oder sowas zu glauben: Es erscheint mir logisch und natürlich, dass eine Lebensform, die in ihrer Entwicklung diesen Punkt erreicht hat, damit beginnt, sich bewusst selbst genetisch zu transformieren und ihre eigene Evolution aktiv mitzugestalten. So wie auch eine selbstlernende künstliche Intelligenz, die man immer weiter und weiter entwickeln würde, irgendwann damit beginnen würde, ihren eigenen Code zu optimieren.


    Genetische Manipulation kommt mir also insgesamt nicht unnatürlich vor, sondern sehr organisch und folgerichtig. Man darf die Sache nur nicht zu schnell angehen, denn langsame, kleine Veränderungen sind in dermaßen komplexen Systemen eine nötige Sicherheitsvorkehrung, weil wir mit jeder genetischen Veränderung eine Kettenreaktion ins Netz einspeisen, die sich im schlechtesten Fall exponentiell verbreitet.


    Ich bedauere es, dass ich niemals erfahren werde, wohin diese Reise am Ende gehen wird.

  • Ich bedauere es, dass ich niemals erfahren werde, wohin diese Reise am Ende gehen wird.

    Das geht mir genau anders herum. Ich bin bei einigen Entwicklungen ziemlich froh, dass ich mir über Nutzen, Schaden und Folgen gar nicht den Kopf zerbrechen muss und gedanklich offen lassen kann, wie das wohl ausgeht, weil ich persönlich davon sowieso nicht mehr betroffen sein werde.


    Aber vielleicht kriegt man ja später so als Geist als Beobachter trotzdem noch alles mit und hat dann den totalen Überblick... und vielleicht kann man ja auch noch ein paar Fäden ziehen und Schicksale beeinflussen... wer weiß. Das fände ich natürlich nicht schlecht. :)

  • Das geht mir genau anders herum. Ich bin bei einigen Entwicklungen ziemlich froh, dass ich mir über Nutzen, Schaden und Folgen gar nicht den Kopf zerbrechen muss und gedanklich offen lassen kann, wie das wohl ausgeht, weil ich persönlich davon sowieso nicht mehr betroffen sein werde.

    Und du bist diesbezüglich überhaupt nicht neugierig?

  • Und du bist diesbezüglich überhaupt nicht neugierig?

    Doch, klar. Spannend finde ich das Ganze auf jeden Fall.


    Ich sehe das eigentlich genau wie du - solche Technologien haben ein hohes Potenzial, der Menschheit zu nutzen und zu schaden, und die Chancen, dass von allen Beteiligten stets verantwortlich und korrekt damit umgegangen wird, sind verschwindend gering. Aber selbst wenn nicht bewusst Missbrauch damit getrieben wird... man stößt ja auch einfach an die Grenzen dessen, was man noch genügend klar als richtig und falsch bewerten kann. Man kann im Voraus nicht alle Konsequenzen, die Entscheidungen in die eine oder andere Richtung haben werden, erkennen und korrekt einschätzen. Man kann auch nicht wissen, ob solche Anstrengungen, die Lebensbedingungen der Menschen zu optimieren, am Ende überhaupt zu mehr Wohlbefinden und Zufriedenheit führen werden. Undsoweiter. Also... ich sehe da eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch mit bester Absicht etwas getan werden kann, was sich hinterher als falsch herausstellt.


    Insgesamt scheinen mir diese Möglichkeiten die Menschheit einfach ein bisschen zu überfordern. Darum bin ich ganz zufrieden damit, dass ich nicht zu der Generation gehöre, die selbst davon betroffen ist und konkrete Entscheidungen darüber treffen muss.

  • Es erscheint mir logisch und natürlich, dass eine Lebensform, die in ihrer Entwicklung diesen Punkt erreicht hat, damit beginnt, sich bewusst selbst genetisch zu transformieren und ihre eigene Evolution aktiv mitzugestalten.


    Das ist ja Evolution. Genauso wie Zucht etc. auch Evolution darstellt.


    So wie auch eine selbstlernende künstliche Intelligenz, die man immer weiter und weiter entwickeln würde, irgendwann damit beginnen würde, ihren eigenen Code zu optimieren.


    Auch so ein spannendes Thema. Da wüsste ich wirklich allzugerne, wo die Reise hingeht.


    Man darf die Sache nur nicht zu schnell angehen, denn langsame, kleine Veränderungen sind in dermaßen komplexen Systemen eine nötige Sicherheitsvorkehrung, weil wir mit jeder genetischen Veränderung eine Kettenreaktion ins Netz einspeisen, die sich im schlechtesten Fall exponentiell verbreitet.


    Ich bin optimistisch, dass "die Menschheit" das nicht hinbekommen wird.


    Ich bedauere es, dass ich niemals erfahren werde, wohin diese Reise am Ende gehen wird.


    Ja, das geht mir auch so. Das wäre so interessant.

    Der Tod ist so eine Vergeudung.



    Ich bin bei einigen Entwicklungen ziemlich froh, dass ich mir über Nutzen, Schaden und Folgen gar nicht den Kopf zerbrechen muss und gedanklich offen lassen kann, wie das wohl ausgeht, weil ich persönlich davon sowieso nicht mehr betroffen sein werde.


    Das ist ja eins der Probleme der Menschheit. Dass Nachhaltigkeit etwas sehr Abstraktes ist, von dem höchstens der Nachwuchs profitiert. Das menschliche Hirn ist im Durchschnitt auch überhaupt nicht darauf ausgelegt, ganz real eine andere Sichtweise zu haben.



    Aber vielleicht kriegt man ja später so als Geist als Beobachter trotzdem noch alles mit und hat dann den totalen Überblick... und vielleicht kann man ja auch noch ein paar Fäden ziehen und Schicksale beeinflussen... wer weiß. Das fände ich natürlich nicht schlecht. :)


    Dass dir das gefällt, glaub ich dir. ^^

    Du machst dann gleich ein Geister-Metauniversum auf, das sich nur damit beschäftigt, andere Universen zu beraten.


    Aber selbst wenn nicht bewusst Missbrauch damit getrieben wird... man stößt ja auch einfach an die Grenzen dessen, was man noch genügend klar als richtig und falsch bewerten kann. Man kann im Voraus nicht alle Konsequenzen, die Entscheidungen in die eine oder andere Richtung haben werden, erkennen und korrekt einschätzen. Man kann auch nicht wissen, ob solche Anstrengungen, die Lebensbedingungen der Menschen zu optimieren, am Ende überhaupt zu mehr Wohlbefinden und Zufriedenheit führen werden. Undsoweiter. Also... ich sehe da eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch mit bester Absicht etwas getan werden kann, was sich hinterher als falsch herausstellt.


    Falls es überhaupt "beste Absichten" gibt bei der massiven sozialen Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Ich bezweifle, dass die wohlhabenden zehn Prozent ein Interesse daran haben, wie es dem humanen Arbeitsvieh geht, solange sie ihren Standard halten und verbessern können.


    Insgesamt scheinen mir diese Möglichkeiten die Menschheit einfach ein bisschen zu überfordern.


    Absolute Zustimmung.

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