Guten Morgen.
Das hier ist ein Thread, in dem ich mich einfach mal über die Folgen von Kurzarbeit auskotzen will.
Ich bin jetzt seit fast einem Jahr davon betroffen und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber: Keinen Job zu haben tut mir überhaupt nicht gut. Und das, obwohl ich absolut keine Geldsorgen habe.
Ich kann jetzt viel besser nachvollziehen, warum so viele Langzeitarbeitslose irgendwann in Resignation und Lethargie versacken, wenn es einfach überhaupt keine Tagesstruktur gibt, der man folgen muss. Am Anfang hat man ganz viele gute Vorsätze, sich nicht hängenzulassen, und man nimmt sich vor, jeden einzelnen Tag sinnvoll zu nutzen und sich eine eigene aktive Struktur aufzubauen, aber das erodiert dann im Laufe der Monate langsam vor sich hin.
Und gerade einer faulen Sau wie mir fällt es extrem schwer, mich zu Tätigkeiten aufzuraffen, die ich auch morgen oder übermorgen erledigen kann, wenn ich alle Zeit der Welt dafür habe.
Es eilt ja nichts. Absolut gar nichts.
Damals – jetzt kann ich das wirklich schon "damals" nennen – als ich noch gearbeitet habe, habe ich mir das alles viel angenehmer vorgestellt. Ich dachte, der Stress, der mit dem Job einhergeht, würde meiner Psyche tendenziell schaden, ich dachte, ich wäre viel zufriedener, wenn das wegfallen würde und ich endlich mal beliebig viel Zeit hätte, um das zu machen, was ich will, aber jetzt muss ich mir eingestehen, dass der ganze Stress – so ätzend er auch war und er war manchmal wirklich extrem ätzend – meine psychische Gesundheit insgesamt gefördert hat. Er war wie eine Art Training, das mich gleichzeitig die stressfreien Momente schätzen und nutzen ließ.
Inzwischen existiert in meinem Leben eigentlich gar kein Stress mehr. Das Dramatischste, was passiert, ist, dass mir mal eine Kaffeetasse umkippt oder sowas.
Daraus resultiert eine totale Unterforderung. Wer wie eine Made im Speck lebt, wird auch irgendwann im Kopf so ein bisschen madenmäßig, glaube ich.
Hinzu kommt ja auch noch der Faktor, dass ich die Dinge, die ich gerne mit meiner Freizeit tun würde, nicht machen kann. Ich nutze Urlaube normalerweise, um zu verreisen, ich habe noch so vieles auf der Liste, was ich mir gerne ansehen würde, aber momentan ist Reisen einfach scheiße. Normal ausgehen kann ich auch nicht, ich kann nicht essen gehen, meine sozialen Kontakte sind auf ein Minimum beschränkt ...
Stattdessen habe ich ganz, ganz viel Zeit übrig, um nachzudenken und mir Mojitos zu mixen und meine Grundstimmung wird schleichend immer schlechter und schlechter.
Nebenbei rutsche ich auch noch ganz langsam in eine Art Identitätskrise, in der ich mich frage: Was bleibt eigentlich, wenn man nach und nach alles von mir wegschneidet, worüber ich mich definiert habe?
Momentan bin ich einfach nur ein Typ, der seine Tage vertrödelt und hedonistischem Nichtstun frönt, während aus irgendeinem bizarren Grund weiterhin Geld auf sein Konto fließt, obwohl er seit fast einem Jahr überhaupt nichts Respektables mehr leistet, außer fasziniert dabei zuzusehen, wie sein eigenes Gehirn vermatscht.
Was sagt das über mich aus? Was bin ich denn eigentlich, wenn ich jetzt quasi nichts mehr bin? Und warum kann ich mich nicht dazu aufraffen, meine Zeit irgendwie sinnvoller zu nutzen?
Na ja, ich will mich da auch nicht zu sehr reinsteigern, aber ich wollte das einfach mal loswerden.
Ich weiß auch, dass das Luxusprobleme sind. So nach dem Motto: "Buhu, ich habe zu viel Freizeit und mein Leben ist so stressfrei."
Das klingt wahrscheinlich von außen betrachtet ziemlich asozial, aber meine Zufriedenheit geht trotzdem immer weiter den Bach runter.