Schockstarre in akuten Bedrohungssituationen – Ausgelagert aus "Perspektivwechsel"

  • Also um das noch mal klarzustellen:


    Ich meine nicht durch entsprechende Erfahrungen (mehrfach) vorbelastete Personen. Darüber hatten wir in diesem Thread ja auch geschrieben... dabei kann ich mir durchaus vorstellen, dass ein Effekt wie z.B. erlerne Hilflosigkeit eintritt, der dazu führen kann, dass die Person dann auch in einer objektiv nicht aussichtslosen Lage von vornherein keinen Versuch mehr unternimmt, sich der Situation zu entziehen. Sondern dass sie ggf. schon von Anfang an mit völliger Apathie und "geistigem Aussteigen" reagiert.


    Ich meine auch nicht Situationen, in denen Personen bis zu einem gewissen Punkt Ablehnung und Abwehr zeigen, ihr Gegenüber aber Nötigungshandlungen ausführt (Fluchtweg versperren, körperlich fixieren, Abwehr unterbinden, Gewalt androhen etc.), so dass sie weiteren Widerstand als aussichtslos ansehen und sich dazu entschließen, die Gegenwehr einzustellen.


    Ich meine auch nicht so etwas wie Schrecksekunden, in denen man derartig überrascht, erschrocken und mental überfordert ist, dass man kurzzeitig wie gelähmt ist.


    Sondern ich meine Fälle, in denen eine nicht vorbelastete, psychisch unauffällige, erwachsene Person damit konfrontiert ist, dass eine andere Person sich ihr unerwünscht körperlich nähert, ohne sie aber zu nötigen und ohne ihr zu drohen. In solchen Fällen kann ich mir einfach nicht erklären, wie und warum es zu einer "Schockstarre" kommen sollte. Das macht für mich überhaupt keinen Sinn.

  • Dann wäre ich neugierig welches konkrete Beispiel hinter Deiner Frage steckt, Woodstock. Auf irgendeinem muss Deine Frage ja beruhen? Das würde mir helfen zu verstehen was Du konkret meinst.

  • Dann wäre ich neugierig welches konkrete Beispiel hinter Deiner Frage steckt, Woodstock. Auf irgendeinem muss Deine Frage ja beruhen? Das würde mir helfen zu verstehen was Du konkret meinst.

    Naja, gerade im Internet liest man doch öfter mal Geschichten wie:


    "Ich war neulich auf der Party einer Freundin, da war auch ein Typ, den ich flüchtig kannte, wir haben uns unterhalten, dann sind wir in ein anderes Zimmer gegangen, da hat er dann unter meine Bluse gegriffen und fing an, meine Hose aufzuknöpfen, ich wollte das eigentlich gar nicht, aber ich war wie gelähmt und konnte nichts machen, und dann legte er mich aufs Sofa und zog mich aus und hatte Sex mit mir, obwohl ich das gar nicht wollte."


    Auf so eine Beschreibung erfolgen dann sehr oft Erklärungen wie "Schockstarre - ganz klar - Schutzmechanismus - total natürliche und normale Reaktion - das macht der Körper ganz instinktiv" usw..


    Auch in den Medien wird die Schockstarre inzwischen häufig in dieser Weise dargestellt: Nicht nur als erlernte Reaktion aufgrund schwerwiegender belastender Vorerlebnisse oder als temporäre Handlungsunfähigkeit in unvorhersehbaren beängstigenden Situationen... sondern als Bestandteil eines natürlichen Verhaltensrepertoirs, das bei jeder Person bei jeglicher unerwünschten körperlichen Annäherung einer anderen Person zum Tragen kommen kann.


    Oder um es mal anders auszudrücken: In den letzten Jahren hat es sich nach meinem Eindruck vermehrt eingebürgert, die bekannten und etablierten Reaktionen auf Bedrohungssituationen, "fight" und "flight", um das Phänomen "freeze" als gleichwertige dritte Option zu erweitern. Ohne dass sich dies aber wissenschaftlich fundiert begründen lässt. Ich finde, eher im Gegenteil - diese Annahme wirft für mich mehr Fragen auf, als dass sie beantwortet.

  • Aus meiner Wahrnehmung heraus lese ich das gar nicht, Woodstock. Ich lese von missbrauchten Kindern, die gar nicht wissen was ihnen widerfährt und die sich in einem extremen Konflikt befinden, den sie nicht auflösen können. Ich lese von Fällen, in denen ein Machtgefälle vorhanden ist: Abhängigkeiten wie von mächtigen Vorgesetzten zu abhängigen Arbeitnehmern, Celebrities wie R Kelly, die sich Minderjährigen nähern, indem sie deren Bewunderung und Vertrauen missbrauchen, Fälle in denen ein wesentlich älterer einen unerfahrenen und unsicheren jüngeren Menschen, der erste Erfahrungen mit Sexualität sammelt, dann in eine Situation drängt, in der der junge Mensch nicht mehr weiß, wie er sich verhalten kann und vom anderen in die Ecke: Du hast es doch selbst provoziert, dann musst Du jetzt auch mitmachen gedrängt werden etc. Alles Fälle die in einen Konflikt führen können und Überforderung auslösen. Ich lese nie von Fällen in denen sich zwei Menschen auf Augenhöhe begegnen und der eine freundlich vorsichtig anfängt zu fummeln, darauf achtend wie der andere reagiert, vor allem wenn ein solches Machtgefälle da ist in diesem Bewusstsein lieber einmal zu viel als zu wenig nachfragt. Kannst Du Beispiele, Artikel, mal konkret verlinken?

  • Naja, im Internet liest man so einiges.


    Ist das wirklich so, dass in den letzten Jahren eingebürgert hat, dass die sogenannte "Schockstarre" als etabliert gleichwertige dritte Option angesehen wird?


    Ist es nicht eher so, dass man diese Reaktion heutzutage eben auch als Möglichkeit sieht, wie eben auch ein Mensch reagieren kann, vielleicht auch unabhängig davon, was er früher an traumtischen Situationen erlebt hat?


    Ist es eben heutzutage nicht eher so, dass man z. B. bei einer Vergewaltigung eben nicht wie früher, die Frau ins "Verhör" nimmt, um auseinanderzunehmen, warum sie nicht die Vase von dem Tisch genommen hat, um dem Täter eins über zu ziehen, warum sie überhaupt so eine kurzen Rock an hatte, warum sie überhaupt mit gegangen ist ins Hotel oder in die Wohnung, warum sie nicht weg gerannt ist, als er ihr näher kam? Ich denke, diese Fragen werden heutzutage auch gestellt, aber es wird in Erwägung gezogen, dass man vielleicht aufgrund der Schockstarre überhaupt nicht reagieren konnte. Und das ist auch gut so.


    Ich brauche dafür auch keine wissenschaftlichen Beweise.


    Ich verstehe auch nicht die Intention dabei, dass man da den genauen wissenschaftlichen Beweis haben will.


    Ich selbt kenne Dissoziation, allerdings auch aus ganz anderen Gründen und nicht so stark, von anderen kenne ich ausgeprägtere Dissoziationen, ja, diejeningen hatten allerdings schon einges schlimmes erlebt.


    Tja, in den Medien wird so einiges dargestellt. Und es gibt unheimlich viele Mneschen, die in ihrer Kindheit Übergriffe in jeglicher Art kennen gelernt haben, von denen weiß man das aber nicht unbedingt.


    Insofern gibt es ehrer wenige Menschen, die solche Erlebnisse überhuapt nicht kennen, wage ich mal zu behaupten.


    Ich hoffe, dass unsere Kinder immer mehr dazu erzogen werden "nein" zu sagen, wenn Erwachsene etwas von ihnen wollen, was ihnen nicht geheuer ist. Wenn das gelingt, werden die Menschen auch immer stärker und können in Zukunft mehr und mehr anders als paralysiert und schockgestarrt reagieren.

  • Ansonsten hatte ich mal eine "Schockstarre", als mir und meinen Begleitern zwei drei Hunde begegnet sind, als wir ausversehen in eine Gebiet gelangt waren, welches die Hunde wohl verteidigen wollten. Sie bellten aggressiv, fletschten die Zähne und knurrten bedrohlich.


    Ich bin fast gestorben vor Angst, den anderen war auch gar nicht wohl. Wir blieben einfach auf dem Fleck stehen eine Weile lang. Nachdem die Hunde ruhiger geworden sind, gingen wir einfach weiter in eine andere Richtung. Und das war auch gut so, finde ich.

  • Was mir noch einfällt: Es kann erst eine Schockstarre sein und dann eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung - der Gedanke: Wenn ich mich nicht wehre, ist es weniger gefährlich, schmerzhaft...

    Ich glaube, was Kimi sagt ist auch ein großer Punkt... man verfällt erstmal in Schockstarre und dann versucht das Hirn eine Lösung zu finden.

    manchmal bleibt man bewusst in der Strarre um schlimmeres zu verhindern (so kenne ich es)

    Manchmal ist man in einer Kapsel und kann gar nicht mehr denken und reagieren und manchmal ist man kurz in Schockstarre ( bei einem Unfall z.b) und plötzlich handelt man völlig instinktiv

  • Ja, Lumiel.

    Und ich denke auch, es kann sich nicht jeder Mensch gleich gut beherrschen und auch nicht wehren.

    Lernt er es frühzeitig, dann kommt er in extremen Situationen auch vllt besser aus der Starre.

    Also ich bin dafür, dass es in Schulen ein Fach geben sollte, wie man sich wehrt, mental und auch physisch.

    Manche Eltern betreiben das daheim mit ihren Kindern.

    Ich kam damit in Berührung, als ich zu meiner Pflegemutter kam, sie legte dann auch großen Wert darauf, bei ihrem eigenen Sohn.

    Obs in Notsituationen anwendbar ist, wird sich zeigen. Aber ich denke, das ist besser, als wenn die Kids nicht dahingehend erzogen werden. Ist halt nicht immer alles rosarot und plüschig.

  • Ja genau TCHO,

    es gibt wahrscheinlich so viele verschiedene Faktoren, die auch von der Tagesform abhängig sind.


    Das ist gut von deiner Pflegemutter, den richtigen Weg zu vermitteln was man auch mal machen muss, obwohl man keine Lust darauf hat und was man definitiv nicht muss

  • Ja, man schaut sich sein oder das Kind an, beobachtet es und setzt so gezielter an.


    Ich gebe Nachhilfe und bemerke da auch große charakterliche Unterschiede bei den Kids und nahm auch schon zwei davon auf Seite (ich gebe Unterricht in der Gruppe hier bei mir), da sie mir sehr verschlossen vorkommen. Nun machen sie allmählich lockerer mit.

    Wunder kann ich auch keine bewirken, aber ich bin geduldig mit ihnen und bleibe dran. Leider warf Corona die beiden zurück und sie wurden wieder verschlossener.

  • Leider haben wir das alle in uns, dass wir uns gegenseitig bewerten und beurteilen. Somit schämen sich auch viele, wenn sie etwas vor anderen präsentieren müssen und Fehler dabei machen.


    Präsentationen werden auch von meinen Schülern gefordert. Die mussten schon im Fünften einen Vortrag auf Englisch halten.

    Mein Pflegebruder nahm das Thema "The SS Great Britain", was schon sehr speziell war. Verschiedene Themen wurden vorgegeben. Er hatte Bammel.


    Ich war auch mal sehr unsicher im Vortragen. Darum übte ich mit ihm. Er war in Gruppen immer eher der stille Typ, darum war es für ihn ein tolles Erfolgserlebnis, dass er es gut gepackt hat und von der Lehrerin gelobt wurde. Obwohl die Mitschüler Kritik vorbrachten. Das gehörte auch dazu.


    Wenn Kids bis zum zehnten Lebensjahr dieses üben, vor der Gruppe zu sprechen, dann verbucht deren Gehirn das noch als positiv. Ist der Zeitpunkt überschritten, dann fällt es denen immer etwas schwerer. Man kann sich zwar trainieren, aber es bleibt unangenehmer.


    Also, Kritik bleibt unangenehm, für viele. Dieses Wissen, diese Erkenntnis half mir persönlich, dass ich mich meinen Kritikern stelle, denn die sind nicht überall besser als ich und schämen sich auch noch hin und wieder.

  • Kann man bei schön Momenten dann auch Schockstarre sagen? Eigentlich schon oder?

    Ja. Sehe ich auch so. Vor Freude steht die Welt plötzlich still, alles kommt unwirklich rüber...


    Nur den Threadstartern ging es wohl eher um die bedrohlichen Situationen.


    Sowas erlebt wohl jeder... früher oder später. Z.B. bei einem Unfall.

  • Als Kind hat man erst nur Angst vor dem Fallen und vor extremem Lärm. Sowas kann einen Säugling sichtlich erstarren lassen. Dann kommen immer mehr Ängste hinzu, meist erst durch Durst/Hunger und auch Schmerzen ausgelöst, dann Unsicherheiten....

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