Schockstarre in akuten Bedrohungssituationen – Ausgelagert aus "Perspektivwechsel"

  • Die Menschen haben sich nicht irgendwo hingekauert, die sind einfach paralysiert sitzen geblieben. Haben selbst auf Ansprachen und "Abuse" (Schütteln, Schläge, etc.) nicht reagiert.

    Hm. Und das könntest du dir bei einem physischen Angriff auch so vorstellen? Dass jemand einfach paralysiert sitzenbleibt und sich von einem Hund, Schlägertyp o.Ä. attackieren lässt?

  • Hm. Und das könntest du dir bei einem physischen Angriff auch so vorstellen? Dass jemand einfach paralysiert sitzenbleibt und sich von einem Hund, Schlägertyp o.Ä. attackieren lässt?

    Vielleicht wenn vorher irgendwas passiert ist, was einen extremen Startle-Effekt ausgelöst hat.

    Irgendwas, das das Gehirn in dem Moment überhaupt nicht verarbeiten kann.

  • Ich gehe davon aus, dass es bei der Evakuierung auch nicht die Situation selbst ist, die die Schockstarre auslöst, sondern irgendeine brutal dramatische Situation davor. Ein unerwarteter Crash, Todesangst, Aufprall, Bersten, Schmerz.

    Oder auf der Ölbohrinsel eine Explosion, Erschütterung, Lärm, ein plötzliches Zerbrechen der Struktur.


    Also irgendein komplettes, schlagartiges Einstürzen einer scheinbar sicheren Realität auf mehreren Ebenen gleichzeitig, so abrupt und chaotisch, dass die kognitive Verarbeitung nicht hinterherkommt.



    Nacht, Woodstock.

  • Es muss keinen konkreten Angreifer geben. So tickt das Stammhirn nicht. Für die Analyse sind andere Hirnregionen verantwortlich, die in dem Moment Sendepause haben.

    Ich gehe ja von der Empirie aus: Es ist doch beobachtbar, dass Menschen bei physischen Attacken (Hundeangriff, Schlägertyp) normalerweise nicht spontan in Schockstarre verfallen. Warum dann bei einem vergleichbaren Ereignis wie einem sexuell motivierten Angriff? Völlig egal, welche Hirnregionen dabei aktiv sind... es müssten aber doch dieselben sein und es müsste dieselbe Reaktion erfolgen, wenn dem Ganzen ein unwillkürlicher Schutzreflex zugrundeliegen würde.

  • Ich gehe ja von der Empirie aus: Es ist doch beobachtbar, dass Menschen bei physischen Attacken (Hundeangriff, Schlägertyp) normalerweise nicht spontan in Schockstarre verfallen. Warum dann bei einem vergleichbaren Ereignis wie einem sexuell motivierten Angriff? Völlig egal, welche Hirnregionen dabei aktiv sind... es müssten aber doch dieselben sein und es müsste dieselbe Reaktion erfolgen, wenn dem Ganzen ein unwillkürlicher Schutzreflex zugrundeliegen würde.

    Ich habe nicht gelesen dass es normal ist. Es ist ein Phämomen und kann durchaus seltener vorkommen, als Angriff/Flucht.


    Es kann sein, dass dieses Phänomen in dem Zusammenhang von den Medien keine Aufmerksamkeit erhält.


    Ich kennen einen Arzt für Neurologie/Psychiatrie - werde ihn mal anrufen und mich informieren.

  • Was mir noch einfällt: Es kann erst eine Schockstarre sein und dann eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung - der Gedanke: Wenn ich mich nicht wehre, ist es weniger gefährlich, schmerzhaft...

  • Es kann auch von Anfang an eine bewusste Entscheidung sein, die später aus Scham (bewusst oder unbewusst) als Schockstarre umdefiniert wird.


    Sexuelle Gewalt scheint bei Opfern übermäßig stark mit einem Schuldmotiv in allen nur möglichen Formen zusammenzuhängen.

    Die Frage nach der Schuld dominiert die gesamte mentale Verarbeitung. Deshalb sehen Betroffene überall Schuldzuweisungen, hegen sie gegenüber sich selbst, reagieren extrem empfindlich auf alles, was Verantwortung oder Prävention betrifft.


    Man wird gefragt: "Wie bist du in diese Situation geraten? Wie hast du dazu beigetragen? Hast du dich gewehrt? Wie hast du dich gewehrt?"

    Man fragt sich selbst: "Welche Signale habe ich gesendet? Welche Entscheidungen habe ich getroffen? Warum habe ich mich nicht deutlicher gewehrt? Habe ich mitgemacht, weil ich mich nicht stärker gewehrt habe? Habe ich das zugelassen?"


    Meine Vermutung:

    Dieser Gedanke, der da ausgelöst wird, dieses unterschwellige "Ich habe Schuld daran", ist aufgrund der Traumatik so unerträglich, dass das Gehirn ein "Ich war paralysiert" daraus macht. "Ich hatte absolut keinen Funken von Kontrolle über meinen Körper."

    Ein Schutzmechanismus.

  • Was mir noch einfällt: Es kann erst eine Schockstarre sein und dann eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung - der Gedanke: Wenn ich mich nicht wehre, ist es weniger gefährlich, schmerzhaft...

    Ja, das sehe ich ähnlich. Je nach Konstellation kann es bei sowas ja durchaus auch zu einem Startle-Effekt kommen... wenn man z.B. gerade noch ein angenehmes Date hatte, und in der nächsten Sekunde plötzlich auf höchst unangenehme Art sexuell bedrängt wird. Dass man in solchen Momenten von widerstreitenden Impulsen blockiert wird und kurzfristig nicht in der Lage ist, zu handeln, halte ich für plausibel. Das ist dann aber wohl eher eine Fehlfunktion des Gehirns, die auf Überforderung beruht... und kein Schutzreflex, denke ich.


    Und zum weiteren Verlauf: Auch da gibt es natürlich Erklärungen für passives Verhalten. Z.B. entwickeln sich solche Situationen oftmals ja langsam... so dass es schwierig ist, klar zu bestimmen, an welchem Punkt die Grenze so weit überschritten ist, dass alle Höflichkeit und Zurückhaltung abgelegt werden muss und eine radikale Abwehr bzw. Entfernung aus der Situation erfolgen sollte. Manchmal sind möglicherweise auch die eigenen Wünsche und Empfindungen nicht ganz eindeutig. Oder, wie du sagst - die Situation entwickelt sich so, dass es letztendlich für die beste Entscheidung gehalten wird, keine Gegenwehr zu leisten. Wobei ich auch da aber einen Verzicht auf jegliche abweisende Gesten und Äußerungen von Anfang an nicht für sehr wahrscheinlich halte... wenn eben nicht besondere Umstände vorliegen, wie z.B. negative Vorerfahrungen und eine daraus resultierende "erlernte Hilflosigkeit".


    Aber wie auch immer - die Annahme einer regelrechten Paralysierung als Schutzreflex halte ich in solchen Fällen für eher fernliegend.


    Ja, den Eindruck habe ich auch. Dieses Schuld-Motiv ist ein Riesenproblem. Wozu wohl auch die weitverbreitete Auffassung beiträgt, dass es aus strafrechtlicher Sicht notwendig sei, sich gewehrt zu haben, sonst sei keine Verurteilung möglich. Das war aber auch schon nach der früheren Fassung des Sexualstrafrechts gar nicht der Fall.

  • so dass es schwierig ist, klar zu bestimmen, an welchem Punkt die Grenze so weit überschritten ist, dass alle Höflichkeit und Zurückhaltung abgelegt werden muss und eine radikale Abwehr bzw. Entfernung aus der Situation erfolgen sollte.

    Guter Punkt.

    Den Effekt gibt es wahrscheinlich häufiger in unserer Gesellschaft: Dass zivilisierte Menschen, die nie mit realer Gefahr konfrontiert waren, nicht rechtzeitig umschalten können, wenn eine Situation unzivilisiertes Verhalten verlangt.

  • Es kann sein, dass dieses Phänomen in dem Zusammenhang von den Medien keine Aufmerksamkeit erhält.


    Ich kennen einen Arzt für Neurologie/Psychiatrie - werde ihn mal anrufen und mich informieren.

    Dass auf dieses Phänomen im Zusammenhang mit Sexualstraftaten immer wieder hingewiesen wird, während es im Zusammenhang mit anderen physischen Attacken überhaupt keine mediale Aufmerksamkeit erhält, fände ich aber auch erstaunlich.


    Und verwunderlich finde ich daran ebenfalls, dass ja fast ausschließlich von Frauen dieser Paralyse-Zustand berichtet wird. Wenn es sich um einen archaischen Schutzreflex handeln würde, wäre doch eigentlich zu erwarten, dass er ebenso auch bei Männern auftritt.


    Guter Punkt.

    Den Effekt gibt es wahrscheinlich häufiger in unserer Gesellschaft: Dass zivilisierte Menschen, die nie mit realer Gefahr konfrontiert waren, nicht rechtzeitig umschalten können, wenn eine Situation unzivilisiertes Verhalten verlangt.

    Deshalb fände ich es wichtig, entsprechende Kurse in Selbstbehauptung und Selbstverteidigung schon in der Schule als Pflichtveranstaltungen durchzuführen. Ich denke, in solchen kritischen Situationen ist es extrem hilfreich, wenn man gezielt gelernt und geübt hat, wie man seine zivilisatorischen Hemmungen ganz bewusst überwinden kann.

  • Dass auf dieses Phänomen im Zusammenhang mit Sexualstraftaten immer wieder hingewiesen wird, während es im Zusammenhang mit anderen physischen Attacken überhaupt keine mediale Aufmerksamkeit erhält, fände ich aber auch erstaunlich.


    Und verwunderlich finde ich daran ebenfalls, dass ja fast ausschließlich von Frauen dieser Paralyse-Zustand berichtet wird. Wenn es sich um einen archaischen Schutzreflex handeln würde, wäre doch eigentlich zu erwarten, dass er ebenso auch bei Männern auftritt.



    Punkt 1 finde ich nicht erstaunlich.


    Punkt 2 so lala. Das könnte etwas mit dem Männerbild zu tun haben.

  • Punkt 1 finde ich nicht erstaunlich.


    Punkt 2 so lala. Das könnte etwas mit dem Männerbild zu tun haben.

    Naja... ehrlich gesagt habe ich mich noch nicht wirklich eingehend mit der ganzen Thematik beschäftigt. Aber so, wie es oft dargestellt wird, ist das Konzept für mich einfach nicht schlüssig.


    Bin mal gespannt, was der Psychiater dazu sagt.

  • Naja... ehrlich gesagt habe ich mich noch nicht wirklich eingehend mit der ganzen Thematik beschäftigt. Aber so, wie es oft dargestellt wird, ist das Konzept für mich einfach nicht schlüssig.


    Bin mal gespannt, was der Psychiater dazu sagt.

    Neurologe u. Psychiater und Psychothp. Hab heute angerufen. Keine Zeit. Werd mal am WE ne Mail schicken.

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