Forumsgeburtstag

  • An diesem Tag vor 10 Jahren stolperte mein jüngster Sohn auf dem Bahnsteig und stürzte zwischen einfahrende S-Bahn und Bahnsteig aufs Gleis.

    Dass er eine Armee von Schutzengeln hatte und überleben durfte, was normalerweise tödlich endet (oder mindestens lebensbeeinträchtigende Verletzungen zur Folge hat), gleicht für mich heute noch einem Wunder.


    Da hat er wirklich Glück gehabt. Verrückt, was manchmal im Leben von Menschen haaresbreit vorbeischrammt.

  • Ja, viel mehr Glück kann man im Pech kaum haben.


    Die Dankbarkeit über sein Überleben flaut nicht ab.

    Die Erinnerungen an sein Aussehen danach allerdings auch nicht. Es gab keine einzige handflächengroße Stelle an seinem Körper, die nicht verletzt war. Überall war die Haut entweder abgeledert oder aufgerissen oder völlig bunt geschlagen - oder alles zusammen.

    Die Ärzte hatten genügend zu tun - und sind gute Heimwerker. Sie hatten ihn genäht, geklammert, gepflastert.

    Kintsugi der Seele:

    Die Kunst, die Narben nicht zu verstecken, sondern zu vergolden.

  • Der 18. Oktober ist für mich ein sehr markantes Datum.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Datum auf ewig in deinen Gedanken verankert ist.

    Das ist einer dieser schönen Momente, in denen man bemerkt, dass das Glück manchmal genau dann plötzlich geballt vorhanden ist, wenn man es am dringendsten benötigt.

  • Ja, viel mehr Glück kann man im Pech kaum haben.

    Das ist einer dieser schönen Momente, in denen man bemerkt, dass das Glück manchmal genau dann plötzlich geballt vorhanden ist, wenn man es am dringendsten benötigt.

    Das ist wahr.


    Viele Menschen jammern gern über das Pech, das sie im Leben haben/hatten.

    Mach' ich auch manchmal.

    Aber schon während des Jammerns springen meine grauen Zellen meistens zu den unverschämten Glückmomenten im Leben, und das Überleben meines Sohnes ist der bedeutendste davon.

    Kintsugi der Seele:

    Die Kunst, die Narben nicht zu verstecken, sondern zu vergolden.

  • Aber schon während des Jammerns springen meine grauen Zellen meistens zu den unverschämten Glückmomenten im Leben

    "Unverschämt" ist ein schöner Begriff dafür. Es fühlt sich dann fast so an, als wären die Regeln, die man gemeinhin kennt, einen Moment lang zu den eigenen Gunsten ausgehebelt. Fast schon illegal. Aber auf gute Weise.

  • Wie kam es denn dazu?

    Ich war nicht dabei, mein Sohn war 20 Jahre alt und sollte eigentlich an diesem Freitag selbst seine Uhr abholen, die ich ein paar Tage zuvor zu einem Uhrmacher gebracht hatte. Er ist Autist und ihn selbstständiger zu machen, war und ist recht aufwändig.


    Aber laut Zeugenaussage war er Mitte des Bahnsteigs auf die einfahrende S-Bahn zugegangen und vermutlich mit den Schuhsohlen am Blindenrillenstreifen hängengeblieben und gestolpert. Das aber so dicht an der Bahnsteigkante, das er kopfüber zwischen fahrender S-Bahn und Bahnsteig verschwand. Der Zeuge hatte dann sofort Alarm ausgelöst.


    Mein Sohn kann sich an die letzten Sekunden vor dem Sturz und an diesen selbst nicht erinnern, auch nach zehn Jahren nicht.

    Er weiß noch, dass er die S-Bahn kommen sah ... und sich dann gewundert hatte, wieso er im Spital ist.


    Ich kann Euch flüstern, das ist was, wenn man den in seiner Heimkehr seit zwei Stunden überfälligen Sohn mehrmals versucht, per Handy zu erreichen, und beim x-ten Versuch dann eine FRAU rangeht, sich als Kantonspolizistin Sowieso vorstellt, mich fragt, ob ich ich sei ... und dann informiert:

    "Ihr Sohn hatte einen S-Bahn-Unfall. Er ist schwer verletzt ... aber nicht lebensgefährlich."

    Das eigene Leben bekommt einen Infarkt in diesem Moment.

    Der zweite für mich. Meine älteste Tochter war viele Jahre vorher auf dem Schulweg ins Auto gerannt...

    Kintsugi der Seele:

    Die Kunst, die Narben nicht zu verstecken, sondern zu vergolden.

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  • Es fühlt sich dann fast so an, als wären die Regeln, die man gemeinhin kennt, einen Moment lang zu den eigenen Gunsten ausgehebelt. Fast schon illegal. Aber auf gute Weise.

    Das nun wieder hast Du sehr schön und recht treffend in Worte gekleidet.

    Kintsugi der Seele:

    Die Kunst, die Narben nicht zu verstecken, sondern zu vergolden.

  • Dann Glückwunsch zur Zweitgeburt deines Sohnes. :)

    Danke!


    Ich hätte ihm sogar seitdem jährlich einen zweiten Geburtstag ausgerichtet ... wenn er es denn gewollt hätte.

    Aber er möchte nicht groß daran erinnert werden.


    Ich vermute dahinter denselben Grund, den es auch hat, dass er sich an den Sturz selbst nicht erinnern KANN:

    Das wunderbare, unbegreifliche Gehirn schützt die Seele.

    Denn in dem Augenblick, als er stürzte, wusste das Gehirn vermutlich, dass das der Moment des Wechsels vom LEBEN zum Tod ist.

    Es findet diese Schreckenserkenntnis wahrscheinlich so belastend, dass es sie ganz weit hinten in seine abgelegensten Katakomben verbannt hat. Es konnte ja von der augenblicklich losfliegenden Armee Schutzengel nichts wissen.

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