Empathie und Moral

  • Diese Auswirkungen erlebe ich manchmal an Bord, wenn ein medizinischer Notfall auftritt

    Ein weiteres Beispiel, das mir dazu gerade noch einfällt, waren die Sonderflüge nach dem Germanwings-Absturz, als wir Angehörige der Opfer nach Frankreich gebracht haben, damit diese dort Abschied nehmen können.

    Es gab Flugbegleiter, die bereits beim Einsteigevorgang weinend zusammengebrochen sind, weil sie das Leid der Familien einfach nicht aushalten konnten.

    Da war die emotionale Empathie dann äußerst kontraproduktiv.


    Gleichzeitig sind genau diese Flugbegleiter beispielsweise extrem gut darin, Konflikte mit verärgerten Passagieren zu deeskalieren, Gäste mit Flugangst zu betreuen, sich um Kinder und Hilfsbedürftige zu kümmern und einfach für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen.


    Ich schätze dieses Zusammenspiel im Team sehr, weil beides gebraucht wird.

  • Merkwürdigerweise erlebe ich derartige Situationen besonders häufig bei Personen, die sich selbst als äußerst empathisch bezeichnen und ein hohes Maß an Empathie von anderen einfordern.

    Geht mir ähnlich.


    Und mit dem "Einfordern" ist es ja auch noch mal so eine Sache. Mir ist echt ein Rätsel, wie man von völlig fremden Menschen Empathie verlangen kann, als hätte man ein Recht darauf. Und das auch noch, wenn man sich selbst diesen Menschen gegenüber unzweifelhaft unangemessen benimmt. Ausgesprochen übergriffig und grenzverletzend, so ein Verhalten, finde ich.


    Ich lasse mich allgemein eher ungerne, von mir unwichtigen Leuten, emotional ausbeuten. Aber lasse es mir nicht groß anmerken. Ich reagiere nicht genervt.


    Spürt ihr wirklich, wenn euch jemand braucht, ohne dass ihr es gesagt oder gezeigt (zittern, trauriger Blick, Tränen) bekommt?

    Und fühlt ihr deren Verzweiflung wirklich nach?

    Ich reagiere, bei mir wichtigen Menschen, eher instinktiv mit Zuneigung und helfen wollender Art und Weise. Und deren Verzweiflung kann mich aber auch leicht stressen, ja, sowas fühle ich, Stress, wenn es zu dramatisch wird.

    Ich finde es meist angenehmer, wenn mein Gegenüber deutlich kommuniziert, was er möchte. Das empfinde ich als begrüßenswerte Verantwortungsübernahme. Andernfalls wird es ja mir überlassen, interpretieren zu müssen, was der andere wohl gerade braucht. Und wenn ich nicht so handle, wie er möchte, kann er mir vorwerfen, fehlinterpretiert zu haben. Der andere hat es einfach, ich habe die ganze Arbeit. Das ist sehr bequem.


    Außerdem glaube ich, dass so einige eigentlich überzogene Erwartungen sich auch schnell erledigen würden, wenn sie nicht diffus emotional signalisiert würden, sondern klar verbalisiert werden müssten...


    ... und wenn einer vor mir trauert und weint, dann spüre ich mehr Zuneigung in dem Moment, da ist ein Gefühl der Schwere in mir, das kommt dem Mitgefühl schon nah, denk ich.

    Aber wenn es der Person wieder besser geht, sie fröhlich sein kann und auch sagt, dass in ihr das Schlimmste überstanden ist, dann spüre ich eine Erleichterung, denk ich.

    Na, vllt kommt das der emotionalen Empathie schon recht nah.

    Gerade so erlebt, darum denke ich darüber nach.

    Gehts euch ähnlich?

    Ganz ähnlich, ja.


    Gab es denn bei dir, Stone, oder auch bei euch anderen hier, schon so wichtige Menschen?

    Klar.


    So gesehen wäre kognitive Empathie das "Erwachsenere" Verfahren. Also so wie es in einem Krankenhaus gehandhabt würde... Wobei das auch Schwachstellen hat.


    Das andere, auf reiner gefühlsduselei basierende Verfahren, erscheint mir dann aber und deutlich weniger verlässlich, in seinen Ausprägungen möglicherweise sogar ins inhuman gehende.

    Ich schrieb ja schon, dass ich es ähnlich sehe... meiner Beobachtung nach ist die kognitive Kontrolle oftmals das Element, das im Lauf der persönlichen Entwicklung zu einem späteren Zeitpunkt verstärkt dazukommt.


    So ähnlich beschreibt das ja auch Bastine hier:

    Mein Problem früher war, dass ich das oft mit der Abgrenzung nicht hinbekommen habe. Das heißt, ich habe mich teilweise in den scheinbar mitfühlenden Gefühlen verloren. Wobei da natürlich die Frage war, wieviel war wirkliches Mitfühlen oder inwieweit war ich in meinen eigenen Gefühen verstrickt. Bin da inzwischen schon weitaus besser, aber manchmal passiert mir das schon noch.



    Das soziale Optimum ist wahrscheinlich eine Mischung aus beiden Anteilen.

    Optimal finde ich, zu beidem ausreichend fähig zu sein... und korrekt einschätzen zu können, in welcher Situation welcher Anteil eingesetzt werden sollte.


    Gut beschrieben.


    So einige Menschen, die auf diese Art handeln - zumindest dabei mitmachen -, würden allerdings empört von sich weisen, dass sie "manipulieren" und "angreifen". Sie halten ihr Handeln tatsächlich für gut und richtig. Das ist für mich das eigentlich Beunruhigende: Wie viele Menschen diese Mechanismen nicht erkennen und sich sogar dazu hinreißen lassen, sich daran zu beteiligen.


    Ja, das beobachtete ich schon oft in Foren. Bisher weniger im privaten Umfeld.

    Es gibt diese Menschen, die sehr laut (auch in Schriftform möglich) werden können. Auf sintflutartige Art und Weise.

    Meine Erfahrungen sind ganz ähnlich.


    Es würde mich sehr behindern, wenn ich bei Fremden, denen ich helfen möchte, zu emotional mitfühlen würde, ich verstehe, was in denen vorgehen muss, aber möchte nicht von meinen Gefühlen lahmgelegt werden.

    ...und Menschen, die mit dem Leid anderer stark in Berührung kommen, üben doch genau das, dass sie eben nicht vom Leid der anderen zu sehr berührt werden, damit sie handlungsfähig bleiben können....

    Eigene Emotionen können sehr stark und einnehmend sein. Ist doch besser, wenn die beherrscht werden könnten.

    Trotzdem kann man doch einfühlsam mit der leidenden Person umgehen.

    Ganz meine Meinung.


    ja, man muss nicht jeden sturm im wasserglas als das große, all umfassende weltuntergangsszenario annehmen, als das es einem geboten wird. geil ist, wenn mitten im streit das telefon klingelt und zb. mutti am apparat ist. dann ädert sich von einem moment zum anderen die stimmlage: "jaaa, hallo mama, naaaa, wie geeehts?" dann wird eine halbe stunde lustig über belanglosigkeiten gesprochen und danach ist das ganze gewitter wie verflogen, als ob nichts davor gewesen wäre.

    :)


    Hm, ich kann immer noch nichts mit der Trennung zwischen emotionaler Empathie oder kognitiver Empathie nix anfangen für den Hausgebrauch.


    Ist aber egal, ich muss das ja alles auch nicht verstehen.

    Wenn man das ausgewogen hinbekommt, ohne sich viel Gedanken darum zu machen, muss man das für den Hausgebrauch auch nicht trennen, denke ich.


    Aus meiner Erfahrung sind es auch sicher nicht vornehmlich die besonders empathischen Menschen, die von ihren Gefühlen übermannt werden und andere schädigen. Sondern eben die unempathischen, die mehr in ihrer eigenen und dann oft auch gestörten weil unkontrollierten Gefühlswelt treiben.

    Wie soll ich jemanden quälen, wenn ich mit ihm mitfühle? Das geht nur, wenn ich mein Mitfühlen dann enorm runteregle. Mitfühlen ist ein sich sebst zurücknehmen, den anderen mehr zulassen.

    Jemandem zu schaden, bedeutet ja nicht gleich, ihn zu quälen.


    Und der Schaden, den unreflektiert emotional-empathische Menschen gar nicht so selten hervorrufen, entsteht ja in der Regel nicht den Menschen, mit denen sie mitfühlen... sondern den Personen, die ihnen nicht nahestehen und mit denen sie darum eben nicht mitfühlen. Oder denen gegenüber sie aus Mitgefühl zu den ihnen nahestehenden Personen sogar heftige Aversionen verspüren.


    Deshalb stimme ich auch dem hier...:

    Das sind generell die Personen, von denen weniger Gefahr ausgeht

    ... so absolut nicht zu.


    In bestimmten Kontexten, wie in der Therapie ist emotionale Empathie , die Fähigkeit sich einfühlens enorm wichtig. Das s man berechtigterweise keine nahe stehenden Personen therapieren soll, liegt erstens an der Rollenvermischung, die ganz unterschiedlich und teils widersprüchliche Regeln beinhalten. Diese Verstriclungen sind es, die unterschiedlichen Interessen und möglichen Konsequenzen, Scham etc. spielen da rein. Aber ein Therapeut, der Gefühle und was sie auslösen im anderen nicht auch innerlich anklingen lassen kann, dem entgeht jede Menge Information und hat zudem Schwierigkeiten diese zu antizipieren.

    Das natürlich auch. Aber es ist ebenso wichtig, als Therapeut professionelle Distanz zum Klienten wahren zu können.


    Wenn jemand mit emotioanler Empathie schlecht ausgestattet ist sind diverse Probleme und Herausfoderungen vorgrammiert. So ist das halt, auch wenn das einige hier, warum auch immer, sehr motoviert das Gegenteil zu rechtfertigen.

    Wir sagen hier alle einfach, was wir zu dem Thema denken. Worin du dabei eine Rechtfertigung für Wasauchimmer siehst, ist mir unklar.

  • Und der Schaden, den unreflektiert emotional-empathische Menschen gar nicht so selten hervorrufen, entsteht ja in der Regel nicht den Menschen, mit denen sie mitfühlen... sondern den Personen, die ihnen nicht nahestehen und mit denen sie darum eben nicht mitfühlen. Oder denen gegenüber sie aus Mitgefühl zu den ihnen nahestehenden Personen sogar heftige Aversionen verspüren.

    Bei empathische Verbundenheit mit einer anderen Person oder einer Gruppe werden eben nicht nur Gefühle wie Trauer und Freude gespiegelt und nachempfunden, sondern auch Emotionen wie Wut, Kränkung, Frust, Hass.

    Das ist ein hervorragender Nährboden für Fronten, gemeinschaftliche Aggression, Ausgrenzung und Mobbing.

  • Ganz genau.


    Emotionen wie Wut, Kränkung, Frust, Hass

    Und Angst. Verzweiflung. Das Empfinden einer Bedrohung.


    Unreflektiertes Mitfühlen mit solchen Emotionen kann erschreckend leicht blind machen. Mit gravierenden negativen Folgen. Die aus meiner Sicht aber dann, wenn sie überhaupt irgendwann erkannt werden, oft verharmlost, schöngeredet und nicht weiter berücksichtigt werden - schließlich hat man es ja nicht böse gemeint. Womit verhindert wird, dass andere Personen den Effekt selbst erkennen können... wodurch dazu beigetragen wird, dass so etwas weiterhin passieren kann.


    Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Über welche Art von Empathie solche Menschen nun verfügen oder auch nicht, ist mir wirklich unklar. Aber das Resultat ist jedenfalls ein falsches Verhalten.

  • Ich schätze, insgesamt kann man sagen, dass mangelnde emotionale Empathie bewusste fremdschädigendes Verhalten begünstigt, während mangelnde kognitive Empathie unreflektierte Gruppendynamiken und Mitläufertum begünstigt. Tendenziell.


    Wenn man weiß, wie man selbst tickt, kann man Strategien finden, um das auszugleichen. Falls man das will.

  • Interessant:


    "Menschen können sich schlechter in andere einfühlen, die in der Hierarchie unter ihnen stehen, während diese sich umgekehrt sehr wohl in Mächtige hineinversetzen können. Dasselbe Phänomen hat ein US-Forschungsteam jetzt für ein weiteres Merkmal nachgewiesen: je stärker das Selbstwertgefühl, desto schwächer das Einfühlungsvermögen in andere, die sich selbst weniger positiv sehen."

    https://www.spektrum.de/news/s…-empathie-grenzen/1789892

  • Hab jetzt deinen link nicht gelesen.


    Ich kann nur sagen, ich glaube dieser These nicht: Je stärker das Selbstwertgefühl, desto schwächer das Einfühlungvermögen in andere.


    Wenn es sich wirklich um ein echtes Selbstwertgefühl handelt, glaube ich schon, dass es da eine aureichende Empathie für andere gibt. Ein falsches Selbstwertgefühl hat es nötig, andere, die nicht so erfolgreich sind oder so, als niederer zu sehen, sich über diese erhaben zu fühlen. Echtes Selbstwertgefühl hat sowas nicht nötig.

  • Wenn es sich wirklich um ein echtes Selbstwertgefühl handelt, glaube ich schon, dass es da eine aureichende Empathie für andere gibt. Ein falsches Selbstwertgefühl hat es nötig, andere, die nicht so erfolgreich sind oder so, als niederer zu sehen, sich über diese erhaben zu fühlen. Echtes Selbstwertgefühl hat sowas nicht nötig.

    Eine geringe Empathie bedeutet ja nicht automatisch, dass man andere Menschen als minderwertig betrachtet.


    Die Studie besagt nur, dass Menschen mit niedrigem Selbstbewusstsein sich tendenziell besser in Menschen mit hohem Selbstbewusstsein einfühlen können, als das umgekehrt der Fall ist. Und dasselbe gilt für die Kombination niedriger Status/hoher Status.

  • Hm, ich habe gerade diesen link mal gelesen, finde das aber alles sehr oberflächlich und kurz gedacht. Also, ich konnte irgendwie da gar nichts mit anfangen.

  • Hm, ich habe gerade diesen link mal gelesen, finde das aber alles sehr oberflächlich und kurz gedacht. Also, ich konnte irgendwie da gar nichts mit anfangen.

    Den Link zur kompletten Studie findest du im Artikel, wenn dir die Beschreibung zu oberflächlich ist.


    Aber es ist ja auch okay, wenn du damit nichts anfangen kannst. Ich finde sowas halt interessant.

  • Wie man es sieht. Das Prinzip des Mentalisierens bietet schon einen Brückenschlag, wenn auch nur einen mittelbaren. Auch sind an anderen Stellen gedankliche Anknüpfungen zu den Ergebnissen der Studie möglich. Eine unmittelbare Verknüpfung gibt es indes nicht. Es war nur eine Spontanassoziation von mir. Ergo, wenn faul z. Z., schenk es dir.

  • Eine geringe Empathie bedeutet ja nicht automatisch, dass man andere Menschen als minderwertig betrachtet.

    Worauf basiert dieser Wert, der anderen beigemessen wird?

  • Noch ein paar Gedanken:


    Hingebungsvolle Empathie führt nicht automatisch zu prosozialem Handeln.


    Denn ausgeprägte emotionale Empathie kann eine als schmerzlich wahrgenommene Erregung und Angst verursachen, also eine Verlagerung des Fokus auf sich selbst - und die Vermeidung dieser quälenden Einflüsse.


    Prosoziales Verhalten benötigt kognitiven Abstand.


    Dieses schlägt dann wieder in eine Verminderung der Wahrscheinlichkeit prosozialen Verhaltens um, wenn Rationalisierungsprozesse Handlungspotenziale stark beschränken bis blockieren.



    (Ich klammere dabei jetzt mal andere Faktoren zur Wertschöpfung aus altruistischem Verhalten aus)

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