Empathie und Moral

  • Wenn jemand mit sehr emotionalem Verhalten andere Menschen schädigt, kann es sein, dass er sich nicht ausreichend steuern konnte... es kann auch sein, dass er sich nicht beherrschen wollte.

    Richtig.

    Aus diesem Grund werde ich auch immer sehr skeptisch, wenn jemand in einem Anflug von Frust um sich schlägt, andere dabei verletzt, und dieses Verhalten dann auch im Nachhinein, wenn der Impuls abgeklungen ist und man in einer ruhigen Minute das Gespräch sucht, weiterhin als gerechtfertigt betrachtet (und oft sogar fortsetzt).

    Dann war das eben kein Affekt mehr, sondern die Person findet dieses Verhalten generell in Ordnung.


    Merkwürdigerweise erlebe ich derartige Situationen besonders häufig bei Personen, die sich selbst als äußerst empathisch bezeichnen und ein hohes Maß an Empathie von anderen einfordern.

    Wenn ich dann versuche, mit dieser vermeintlich vorhandenen Empathie zu arbeiten ("Wie würdest du dich denn fühlen, wenn jemand dich so beleidigen würde?", "Wärst du nicht auch verletzt, wenn man sowas zu dir sagen würde?"), hat das keinen Effekt. Dann kommt als Antwort irgendeine Variation von: "Der wollte das doch so, der hat mich provoziert."


    Deshalb betone ich ja immer wieder die Selektivität von emotionaler Empathie. Diese Empathie-Variante kommt unter Umständen schnell an ihre Grenzen.

    Und dann braucht es eben den Willen, das kognitiv abzufangen und weiterhin sozialverträglich zu handeln, auch wenn die emotionale Empathie einem das nicht mehr auf der Gefühlsebene vorgibt.

  • Es gibt Menschen, die "rasten" aus, geben Äusserungen von sich (verletzende) und rechtfertigen dies damit, sie seien ja so emotional.

    Mag sein, dass solche Menschen ihre Emotionen (in gewissen Momenten) nicht steuern können, aber empathisch sind sie nicht, wenn sie sich nicht in die Lage ihres Gegenübers versetzen können und nachempfinden können, wie verletzend gewisse Äusserungen sind.

  • Was erreichen emotionale Reaktionen bei mir?


    Nur mir wichtige Menschen, erreichen bei mir, dass ich mich denen zu neigen und helfen will, helfen auf unterschiedliche Weise, so wie sie es eben in dem Moment brauchen, da habe ich ein großes Repertoire zu bieten.


    Bei den anderen Leuten wirke ich unterkühlt und distanziert. Außer, sie wecken mein Interesse, dann bin ich zu mehr bereit.


    Beruflich wäre es natürlich wieder etwas anderes, da helfe ich mit dem, was ich erlernte und ist da mal ein sehr verzweifelter junger Mensch vor mir, dann kann ich mitfühlend und beruhigend wirken, aber auch so unauffällig, wie es möglich ist, das Fachliche durch gehen.


    Ich lasse mich allgemein eher ungerne, von mir unwichtigen Leuten, emotional ausbeuten. Aber lasse es mir nicht groß anmerken. Ich reagiere nicht genervt.


    Spürt ihr wirklich, wenn euch jemand braucht, ohne dass ihr es gesagt oder gezeigt (zittern, trauriger Blick, Tränen) bekommt?

    Und fühlt ihr deren Verzweiflung wirklich nach?

    Ich reagiere, bei mir wichtigen Menschen, eher instinktiv mit Zuneigung und helfen wollender Art und Weise. Und deren Verzweiflung kann mich aber auch leicht stressen, ja, sowas fühle ich, Stress, wenn es zu dramatisch wird.


    Zum Glück reagieren meine Menschen nicht zu extrem dramatisch.

    Sowas gab es in meiner Kindheit und es hat mich immer verunsichert, wenn von mir dann Handlungen erwartet wurden, ohne dass ich Emotionen zeigen durfte, von mir wurde Contenance erwartet.

  • Spürt ihr wirklich, wenn euch jemand braucht, ohne dass ihr es gesagt oder gezeigt (zittern, trauriger Blick, Tränen) bekommt?

    Interessante Frage.


    Genau daran scheitert empathische Zwischenmenschlichkeit meines Erachtens oft: Man identifiziert erst mal nur das, was man von sich selbst kennt oder als emotionales Signal erlernt hat.


    Wenn das Gegenüber diese bekannten Signale nicht sendet, weil es auf Verletzungen, Trauer, Wut, Frust oder Kränkung anders reagiert, wird keine emotionale Empathie ausgelöst. Das Gehirn erkennt die Gefühle nicht, spiegelt sie nicht, und dadurch verschwinden auch die positiven sozialen Mechanismen, die mit Empathie einhergehen.


    Sich klar zu machen, dass die Abwesenheit der Signale nicht bedeuten muss, dass keine Gefühle vorhanden sind, ist hingegen ein kognitiver Prozess, der auf einer anderen Ebene abläuft. Er erfordert bewusste Denkarbeit, die nicht jeder vornimmt.

  • ... und wenn einer vor mir trauert und weint, dann spüre ich mehr Zuneigung in dem Moment, da ist ein Gefühl der Schwere in mir, das kommt dem Mitgefühl schon nah, denk ich.

    Aber wenn es der Person wieder besser geht, sie fröhlich sein kann und auch sagt, dass in ihr das Schlimmste überstanden ist, dann spüre ich eine Erleichterung, denk ich.

    Na, vllt kommt das der emotionalen Empathie schon recht nah.

    Gerade so erlebt, darum denke ich darüber nach.

    Gehts euch ähnlich?

  • Gehts euch ähnlich?

    Hm.


    Wenn ich bemerke, dass jemand sehr traurig ist, dann nehme ich das so ähnlich wahr, wie ich auch körperliche Verletzungen wahrnehme, glaube ich.

    Wie eine Schnittwunde oder sowas. Ich weiß, dass das weh tut, aber mir tut nichts weh. Ich spüre den Schmerz nicht, ich sehe aber, dass es blutet, und kann mir bei Bedarf ungefähr vorstellen, wie es für mich wäre, wenn ich diese Schnittwunde hätte.


    Auf dieser Basis weiß ich dann, welche Unterstützung ich mir wünschen würde, wenn ich bluten würde, und ich kann auch – je nachdem, wie gut ich die Person kenne – Prognosen darüber abgeben, welche Art von Unterstützung mein Gegenüber bevorzugen würde.


    Ob ich diese Unterstützung dann gar nicht, teilweise oder in vollem Umfang leisten will, hängt dabei von tausend Faktoren ab.

    Wenn ich mich dafür entscheide, ist mein Antrieb nicht Mitgefühl – im Sinne von: Ich empfinde keinen gespiegelten Schmerz, den ich beheben will, sondern die Entscheidungsgrundlage ist einfach eine andere.

  • Also ich meinte damit auch eine Person, die mir viel bedeutet. Da spüre ich sowas, wie Mitgefühl, wenn sie leidet und auch dann, wenn sie sich beruhigt oder sogar freut.

    Gab es denn bei dir, Stone, oder auch bei euch anderen hier, schon so wichtige Menschen?

  • Und dass Menschen doch sehr unterschiedlich, jegliche Art von Schmerzen wahrnehmen und noch unterschiedlicher damit umgehen, fiel mir schon sehr früh auf.

    Da könnte ich mittlerweile kaum Parallelen ziehen.

    Manche mögen dann nicht einmal Nähe und Zuneigung und schon garnicht von jedem Menschen.

    Was bleibt uns also meist anderes übrig, als abzuwarten oder nachzufragen... naja. Zumindest versuche ich in solchen Momenten, meine eigenen Emotionen einzuschränken, die lasse ich erst dann einfließen, wenn ich den aktuellen Zustand meines Gegenübers mitgeteilt bekomme oder etwas einschätzen könnte.

  • So gesehen wäre kognitive Empathie das "Erwachsenere" Verfahren. Also so wie es in einem Krankenhaus gehandhabt würde... Wobei das auch Schwachstellen hat.


    Das andere, auf reiner gefühlsduselei basierende Verfahren, erscheint mir dann aber und deutlich weniger verlässlich, in seinen Ausprägungen möglicherweise sogar ins inhuman gehende.

  • So gesehen wäre kognitive Empathie das "Erwachsenere" Verfahren. Also so wie es in einem Krankenhaus gehandhabt würde... Wobei das auch Schwachstellen hat.


    Das andere, auf reiner gefühlsduselei basierende Verfahren, erscheint mir dann aber und deutlich weniger verlässlich, in seinen Ausprägungen möglicherweise sogar ins inhuman gehende.

    Das soziale Optimum ist wahrscheinlich eine Mischung aus beiden Anteilen.

  • Ich mag Menschen, die sowohl über kognitive Empathie als auch emotionale Empathie verfügen. Eine Kombination.


  • Der Umstand, dass jemand von sich behauptet, besonders empathisch zu sein, bedeutet ja nicht, dass diese Person es tatsächlich ist.


    Ich kenne und erkenne diese Menschentypen, die du da skizzierst. Dieses explizite Benennen von "ich bin sehr empathisch (und die anderen nicht)" erfüllt ganz klar strategische Zwecke:


    a) Verstärken der eigenen Meinung durch Höherstellung gegenüber anderen Beteiligten ("ich sehe, fühle, weiß mehr als ihr")

    b) Gruppen- und Frontenbildung durch scheinbares Verständnis für tatsächlich sehr mitfühlende und offenherzige Charaktere - da wird dann rasch Rapport hergestellt, Freundschaft und Seelenverwandtschaft postuliert ... und ausgebeutet.

    c) Andere Meinungen, missliebige Äußerungen, mangelnde Bereitschaft, sich derartig manipulieren zu lassen, führen zu einem riesengroßen ich-bin-ja-so-verletzt-Drama, welches dann rumdherum ausgeschlachtet wird, auf Kosten des "Leidverursachers" (Meinungstabuisierung unter dem Deckmantel scheinbarer Verletzlichkeit).


    All dies kommt nahezu immer zusammen.

    Das ist ein Manipulationssystem und eine Angriffsstrategie.


    Mit Empathie hat das nichts zu tun, ganz im Gegenteil.

  • Also ich meinte damit auch eine Person, die mir viel bedeutet. Da spüre ich sowas, wie Mitgefühl, wenn sie leidet und auch dann, wenn sie sich beruhigt oder sogar freut.

    Gab es denn bei dir, Stone, oder auch bei euch anderen hier, schon so wichtige Menschen?


    Bei mir ist es so, dass Wohlbefinden bei einer mir nahen Person ein Empfinden in mir auslöst, welches an das Gefühl erinnert, in einem sehr gepflegten Anwesen zu sein oder so.


    Wenn ich weiß, dass es dieser Person sehr schlecht geht, dann ist es so, als würde ich wissen, dass irgendwann demnächst unangenehmer Besuch kommt: irgendwie ätzend, man möchte es schnell hinter sich bringen, es ist nicht gut kontrolliert.

  • Ordnung ist mir wichtig. Ich brauche es aufgeräumt und übersichtlich im Privaten.

    Ja, sowas ist es, was ich für ein gutes Gefühl brauche. Darum passt es besser, wenn es mir wichtigen Menschen gut geht, zumindest ich das Gefühl bekomme, dass der negative Zustand bald überstanden ist. Darum packe ich dann wohl auch mit an.

  • Nach meinem Empfinden hat Empathie nicht gleich etwas mit s.g. Moral zu tun und schon gar nicht damit, wenn jemand behauptet; empathisch zu sein.

    Um es mal deutlicher zu machen, kürzlich hörte ich;


    Wenn es "dir" mal schlecht geht und Du Hilfe brauchst, dann bin ich immer für "dich" da.


    Wie erklärt man das nun dem Mädchen, der Oma...der dies so gesagt wurde und sie seit 20 Jahren das Gefühl hat,

    doch nur "vollgeschwätzt" zu werden?


    Schwätzen kann man viel. Ich schaue immer darauf, wie ich mich verhalte und wie sich verhalten wird.

  • Spürt ihr wirklich, wenn euch jemand braucht, ohne dass ihr es gesagt oder gezeigt (zittern, trauriger Blick, Tränen) bekommt?

    ja.

    ich erkenne, wenn jemand lügt, mir irgendwas vorspielt, etwas übertreibt, aber auch wenn jemand was verbirgt, was verheimlichen möchte oder mich einfach mit seinen sorgen und problemen nicht belasten möchte und mir deswegen was vormacht. im grunde bleibt mir nichts verborgen, wenn ich genau hinschaue. die frage ist: will ich überhaupt genau hinschauen? oder muss ich das?

  • ja.

    ich erkenne, wenn jemand lügt, mir irgendwas vorspielt, etwas übertreibt, aber auch wenn jemand was verbirgt, was verheimlichen möchte oder mich einfach mit seinen sorgen und problemen nicht belasten möchte und mir deswegen was vormacht. im grunde bleibt mir nichts verborgen, wenn ich genau hinschaue. die frage ist: will ich überhaupt genau hinschauen? oder muss ich das?


    Ist aber letztlich eine Behauptung, welche niemand überprüfen kann.

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