Wahrheit und Lüge

  • Guten Morgen zusammen.



    Heute zum Frühstück mal eine moralische Frage, die mich interessieren würde: Wie steht ihr zu Lügen – zu Ausreden, Notlügen, Prahlerei, Heuchelei, Übertreibungen, aber auch zu sowas wie Inauthentizität, Schauspielerei, vorgetäuschten Emotionen?


    Habt ihr den Anspruch an euch selbst, Menschen gegenüber stets so ehrlich und authentisch wie möglich zu sein? Oder wenigstens einem bestimmten Personenkreis gegenüber?

    Oder betrachtet ihr die Sache eher zweckmäßig?


    Haltet ihr euch selbst für talentierte Schauspieler und Lügner?

  • Dafür werde ich wahrscheinlich in der Luft zerissen, aber here we go:


    zu Ausreden, Notlügen

    Sind unter bestimmten Umständen ok.

    Prahlerei, Heuchelei, Übertreibungen,

    Inakzeptabel.

    Inauthentizität

    Inakzeptabel, aber auch ehrlich gesagt Definitionssache. Leute würden mich wahrscheinlich genauso bezeichnen, auch wenn ich es anders sehe.

    Schauspielerei, vorgetäuschten Emotionen

    Unter Umständen okay.


    Ich bin der Meinung gegen dem allgemeinen Moralapostelgeschwafel, dass der Zweck manchmal die Mittel heiligt. Ich kriege einen Menschen aus einer schwerwiegenden psychologischen Krise raus und kann ihn durch gezielte Lügen und Emotionen rausholen? Ich würds immer wieder tun.


    Ich möchte jemanden wegen Corona nicht treffen, weiß aber ganz genau, dass derjenige das persönlich nehmen würde - ein Kontaktabbruch aber aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist. Ich werde definitiv Notlügen erzählen.


    Ob ich talentiert bin als Lügner? Keine Ahnung. Ist mir aber auch egal, ehrlich gesagt. Für jede von mir erzählte Lüge bin ich von überzeugt, dass es richtig war. Die Wahrheit kann halt oft genug auch unangenehm sein, sowohl für denjenigen den mans sagt als auch für sich. Manches behält man für sich, manches widerspricht man, manchmal lügt man.


    Einer Frau, die kürzlich ein Kind geboren habe, sag ich nicht, dass sie scheiße aussieht, wenn sie mich nach ihrer Meinung fragt. Das ist eine Form des Respekts.

    Ein guter Freund, der von seiner Verlobten sitzen gelassen wurde und sich bei mir ausheult sage ich nicht, dass es daran liegt, dass er jeden Tag 14 Stunden vor der Glotze hing.


    Die Wahrheit braucht manchmal ihren korrekten Zeitpunkt.


    Leute die behaupten, immer die Wahrheit zu sagen sind für mich Arschlöcher, Antisozial oder Heuchler.

  • Es wird kaum einer behaupten, er würde niemals lügen, sonst hat er darüber schlicht nie ernsthaft nachgedacht. Lügen ist eine wichtige zu erlernende Fähigkeit. Kann ja im Extremfall sogar lebensrettend sein.


    Die Amis haben den Begriff "white lies" für die trivialen alltäglichen Lügen, die nicht darauf abzielen einen anderen zu missbrauchen oder zu verletzen (Du siehst super aus in dem Anzug! Das Essen war köstlich! Ohm schade, ich kann leider nicht, ich bekomme überraschend Besuch. Ich hab solche Kopfschmerzen etc.).


    Abseits davon wird es dann schon interessanter.

  • Lügen ist eine wichtige zu erlernende Fähigkeit.

    Mir fällt in diesem Zusammenhang gerade auch auf, dass Menschen automatisch stärker auf Lügen und Schauspielerei angewiesen sind, wenn sie der gesellschaftlich akzeptierten Norm abweichen, sei es durch psychische Erkrankungen, charakterliche Defizite oder fragwürdigen Neigungen.

    Je extremer diese Abweichungen sind, desto öfter ist der Betroffene dazu gezwungen, sie zu verbergen und sein Umfeld zu täuschen, wenn er keine (teilweise massiven) sozialen Konsequenzen erleiden will.



    Umgekehrt bedeutet das auch, dass jemand, der funktional der gesellschaftlich Norm entspricht, automatisch einen deutlich geringeren Preis für die Wahrheit zahlt.

  • Je extremer diese Abweichungen sind, desto öfter ist der Betroffene dazu gezwungen, sie zu verbergen und sein Umfeld zu täuschen, wenn er keine (teilweise massiven) sozialen Konsequenzen erleiden will.

    Die daraus entstehenden Konsequenzen auf anderer Ebene sind leider für die wenigsten Menschen so drängend, dass sie es vorziehen würden, sich selbst zu leben (auch gegen Widerstände), anstatt sich konstant zu verleugnen. Ich persönlich finde das eigentlich die schlimmste Art von Lüge. Die Selbstlüge. Durchdenkt man das konsequent, auch die Konsequenzen daraus, ist das meiste Elend der Welt erklärt.


    ....

  • Je extremer diese Abweichungen sind, desto öfter ist der Betroffene dazu gezwungen, sie zu verbergen und sein Umfeld zu täuschen, wenn er keine (teilweise massiven) sozialen Konsequenzen erleiden will.

    Das ist die eine Seite der Medaille. Selbstschutz.

    Die andere Seite der Medaille ist die Gefahr, dass das Umfeld durch dieses Täuschen (teilweise) massive Konsequenzen erleiden muss.

  • Ich finde, Surrender hat es sehr gut beschrieben, so sehe ich es auch.


    Ich finde Menschen die nur Lügen weil sie zu feige für die Wahrheit sind ganz schlimm. Leider macht eine Freundin das regelmäßig und dann so schlecht, dass es sofort auffliegt. Sowas ist einfach nur verletzend.

    Der Oberlügenkönig ist aber definitiv mein Exfreund.

  • Könntest du mir mal ein Beispiel dafür geben?

    Greifen wir auf Homosexualität in früheren Jahren zurück. Eine Offenlegung konnte den Homosexuellen gesellschaftlich jeglicher Reputation berauben.

    Also täuscht er/sie die Gesellschaft. Was bis hierhin wohl auch absolut nachvollziehbar und legitim ist. Was geht die das an?
    Beinhaltet diese Täuschung aber nun auch die Täuchung einer Ehefrau/Ehemannes um den Eigenschutz möglichst wasserdicht zu machen, dann beraubt die Lüge diese Person nun der Möglichkeit des Selbstschutzes, der eigenen Entscheidung. Das ist dann Missbrauch.

  • Ich finde, Surrender hat es sehr gut beschrieben, so sehe ich es auch.


    Ich finde Menschen die nur Lügen weil sie zu feige für die Wahrheit sind ganz schlimm. Leider macht eine Freundin das regelmäßig und dann so schlecht, dass es sofort auffliegt. Sowas ist einfach nur verletzend.

    Der Oberlügenkönig ist aber definitiv mein Exfreund.

    Hast Du diese Personen mal klar mit Deinen Ansichten konfrontiert?


    ....

  • In gewissen Rahmen ist lügen doch fast normal. Wenn mich eine Arbeitskollegin fragt, wie es mir geht. Dann antworte ich fast immer mit "gut,..." oder "ganz gut, ..." auch wenn es mir in Wirklichkeit total mies geht. Streng genommen ist das ja schon eine Lüge. Aber manchmal will man die Wahrheit nicht sagen, weil es den anderen nichts angeht. Das könnte man so auch ausprechen, aber ich fände es unhöflich, meiner Kollegin, die mich nach meinen Befinden fragt, an den Kopf zu knallen "es geht dich nichts an". Da ist dann die Lüge mit dem "mir gehts gut, danke" irgendwie netter.

    Oder wenn eine Freundin nach einem spontanen Treffen fragt, und ich keine Lust habe, dann antworte ich eher mit "sorry, ich habe leider keine Zeit" als mit "sorry, ich habe heute keine Lust". Letzteres könnte viel mehr in den falschen Hals geraten und die Person fühlt sich persönlich verletzt. Das ist einfach ein dünnes Eis auf dem man sich dann bewegt, also dann lieber, vorschieben, dass man keine Zeit hat. Das nimmt der andere in der Regel nicht persönlich. Mittlerweile antworte ich aber in solchen Fällen oft mit "heute passt es mir leider nicht", weil das nicht den Grund impliziert. Es passt nicht, weil keine Zeit oder passt nicht, weil keine Lust. Das geht da nicht so klar hervor. Aber viele verwenden eben, das ist mein Eindruck, "ich habe leider keine Zeit" als Vorwand.


    Lügen um jemand anderen zu schützen und nicht weh zu tun... hab ich schon gemacht... weiß nicht so recht, wie ich dazu stehe.

    Wenn der Grund nachvollziehbar ist für mich, dann kann ich das wohl verzeihen.


    Aber z.B. Lügen um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen, z.B. geht für mich gar nicht.

  • Heute zum Frühstück mal eine moralische Frage, die mich interessieren würde: Wie steht ihr zu Lügen –



    Ich denke über moralische Fragen für gewöhnlich nicht nach, da ich dazu erstmal meine eigenen diesbezüglichen Ansichten mit denen unserer Gesellschaft abgleichen muss und ich das irgendwie anstrengend finde.


    Zitat


    zu Ausreden, Notlügen, Prahlerei, Heuchelei, Übertreibungen, aber auch zu sowas wie Inauthentizität, Schauspielerei, vorgetäuschten Emotionen?


    Solange ich keinen Nachteil dadurch habe oder wie auch immer geartete Ressourcen verliere, ist mir das vollkommen gleichgültig und ich kann die Show genießen.

    Sogar, wenn das Gegenüber mich "benutzt", um irgendeinen psychischen Gewinn zu erzielen, interessiert mich das nicht, solange es einen angemessenen Preis zahlt und ich quasi eine Gegenleistung erhalte.


    Wenn das Gegenüber den Versuch unternimmt, das "Finanzierungsverhältnis" zu meinen Lasten zu kippen, schreite ich ein.



    Zitat

    Habt ihr den Anspruch an euch selbst, Menschen gegenüber stets so ehrlich und authentisch wie möglich zu sein?


    Nein. Das wäre auch in der Konsequenz recht ungünstig für mich.




    Zitat

    Oder wenigstens einem bestimmten Personenkreis gegenüber?


    Niemals vollumfänglich. Manche Persönlichkeitsaspekte sind innerhalb einer Gemeinschaft inakzeptabel.


    Vollumfänglichkeit wird aber ohnehin nicht benötigt, um einen Kontakt dennoch hinreichend positiv zu gestalten; 100 prozentige Authentizität ist dafür nicht erforderlich.


    Jemand, der mich gut kennt, könnte zudem in vielen meiner Aussagen Subtexte finden, um mich genauer einschätzen zu können.



    Zitat

    Oder betrachtet ihr die Sache eher zweckmäßig?


    Absolut.



    Zitat

    Haltet ihr euch selbst für talentierte Schauspieler und Lügner?


    Darüber habe ich noch nie ernsthaft nachgedacht, weil ich das zweckmäßig betrachte und nicht intrinsisch.

  • Es gibt ja auch Menschen, die gerne austeilen und tendenziell beleidigend drauf sind, und sich dann damit brüsten, ein besonders ehrlicher Charakter zu sein.

    Ja, das sind die, die immer von "authentisch" sein quatschen, damit aber nur meinen, dass sie jedem ihre Launen aufdrücken wollen.

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