Buchbesprechung: "Das Opfer ist der neue Held" von Matthias Lohre

  • Ich habe hier eine, wie ich finde, interessante Passage in dem Buch gelesen.


    Zitat

    Die Angst verändert unsere Wahrnehmung. Im Jahr 2016 gaben mehr als 80 Prozent der Befragten einer Studie der Ruhe-Universität Bochum an, sie glaubten, es gebe mehr Raubüberfälle als im Vorjahr - in Wahrheit war deren Zahl um 15 Prozent gesunken. Fast jeder Fünfte hielt es für wahtscheinlich, im kommenden Jahr beraubt zu werden - dabei war das im Jahr 2015 nicht einmal jedem Dreihundertsten geschehen. Die Gefahr mag nicht real sein. Aber das Gefühl, in Gefahr zu sein, ist es.

    Habe danach recherchiert und dabei den Text entdeckt:


    Zitat

    Im Jahr 2016 gaben rund 21 Prozent der Befragten an, dass sie es für wahrscheinlich halten, im kommenden Jahr selbst Opfer einer Körperverletzung zu werden; 19 Prozent befürchteten, beraubt zu werden. Tatsächlich wurden nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr jedoch nur 1,6 beziehungsweise 0,3 Prozent der Befragten Opfer einer solchen Straftat.

    https://news.rub.de/wissenscha…-buerger-einer-grossstadt




    Noch ein Auszug aus dem Internet:


    https://news.rub.de/wissenscha…-buerger-einer-grossstadt

    6 Mal editiert, zuletzt von Kimi ()

  • Wenn ich das lese, habe ich direkt x Bilder vor Augen. ^^


    Zitat

    […] Doch in Wahrheit entflieht das Opfer dem Hamsterrad nicht. Vielmehr ringt es weiterhin ständig um Macht und Aufmerksamkeit. Nur tut es das jetzt mit Mitteln der Moral. Weil dem Opfer übel mitgespielt wurde, verdient es das Mitgefühl seiner Mitmenschen. Sie alle müssen es entschädigen mit dem größten Geschenk, das unsere Gesellschaft zu bieten hat: Aufmerksamkeit. Relativieren andere sein Leid oder bestreiten sie gar seine Opferschaft, so erweisen sie sich als Täter. Darin steckt ein Paradox: Das Opfer hasst die vermeintlichen Täter, aber es verlangt auch nach ihnen. Das kann so weit gehen, die ganze Menschheit in uns und die aufzuteilen, in Opfer und Täter, Gut und Böse. Das Opfer sieht sich nicht nur auf der Seite des bedrängten Guten, sondern als dessen Verkörperung. Damit übernehmen sie die Rolle des Helden.

    Quelle: Das Opfer ist der neue Held - von Matthias Lohre



    Es ist diese massive Erwartungshaltung - das Fordern - Verlangen, was ich bei x Menschen feststelle.


    Auch, wenn ich verstehen kann, wenn Menschen etwas wollen, erachte ich es als wichtig, sich bewusst zu machen: Möchte ich dem nachkommen? Was bedeutet das für mich/die Person, die x fordert? Was hat das für eine Signalwirkung? Möchte ich so eine Einstellung - und das damit einhergehende Verhalten - fördern?


    Komme ich dem nach, obwohl wichtige Aspekte dagegensprechen? Weshalb?

    Habe ich Gedanken, wie: Was ich möchte, ist nicht (so) wichtig? Ich bin nicht so wichtig?

    Habe ich Angst davor, nicht gemocht zu werden - allein dazustehen?

    Einmal editiert, zuletzt von Kimi ()

  • Zitat

    Unsere Intuition ist ein Elefant, unser rationales Denken sein Reiter. Der Elefant hat ein gewaltiges Gedächtnis, aber er ist scheu und bequem und meidet, was er nicht kennt. Sein Reiter ist klug, aber schwach. Setzt der Elefant es sich in den Kopf, einen bestimmten Weg einzuschlagen, kann der Reiter selten etwas dagegen tun. Bestenfalls liefert er den Umstehenden Erklärungen, warum der Elefant in diese oder jene Richtung marschiert und wirbt um Verständnis. Aber ob seine Begründungen wirklich stimmen, weiß er selber nicht so genau. Der Reiter deutet und vermittelt, der Elefant entscheidet.

    Prof. Jonathan Haidts Metapher über den Umgang unserer Moral, übersetzt von Matthias Lohre im Buch.


    Finde ich sehr nachdenkenswert. Und ich frage mich: Ist es mir als Reiter möglich, den Elefanten zu zähmen? Oder kann ich mich da lediglich selber überschätzen?

  • Hey, genau da bin ich gerade :)

  • Ich kann eigentlich nicht mitreden, da ich das Buch nicht lese, aber ich beobachte auch ähnliches Verhalten und Streben nach Aufmerksamkeit. Das stimmt schon. Wichtig ist aber wirklich noch im Hinterkopf zu behalten, dass das nicht auf alle Opfer zutrifft, eben auf x Menschen, so schreibst du ja auch.

    (Ich erwähne das nur, weil es genügend Menschen gibt, die das nicht im Hinterkopf haben, sondern davon ausgehen, dass ein Opfer sich mal etwas zusammenreißen könnte und nicht immer "Hier, ICH brauche jetzt Hilfe, seht ihr das nicht? Und schaut, was ich alles gepackt habe, ICH bin ein HELD!" ausdrücken sollte.)


    Es hat auch mit der jeweiligen Persönlichkeit eines Menschen zu tun, ob er vllt vom Grundcharakter her ein nach Aufmerksamkeit strebender Mensch ist oder durch die Zeit, dieser eher sehr passiven und anstrengenden Lebensphase, eine zusätzliche Prägung erhielt.


    In einem gewissen Maße sollte man so ein vllt egozentrisch wirkendes Verhalten aber noch fördern, da es das erste wichtige Aufbäumen sein könnte, das erste Ventil um mit den Erlebnissen umzugehen und es kann helfen, die Dinge zu thematisieren und letztendlich zu verarbeiten.


    Es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an, wo man so ein forderndes Verhalten stoppt und auf ein gewisses Feingefühl, es muss wohl passen zwischen den beiden Menschen, iwas muss da sein, damit ausreichend Verständnis vorhanden ist.


    Ein zu sachliches und pragmatisches Behandeln dieses Opfers, könnte auch unpassend sein. Da geht es um das eigene Bauchgefühl, wann gebe ich etwas Gefühlsähnliches und wann bleibe ich recht kühl nachfragend? Schwierig. Schwierig für beide Seiten, so denke ich.


    Sogar Schweigen und abwarten kann viel wert sein, um dem Opfer die Möglichkeit zu geben nach dem eigenen Bedürfnis der Thematisierung vorzugehen.


    Ich muss noch einmal editieren, wie gesagt, ich lese das Buch nicht, vllt behandelt der Autor mein oben Angesprochenes ja ebenfalls in seinem Buch.


  • Eine Rolle spielt, WIE sich das egozentrische Verhalten (um Deine Worte aufzugreifen) einer Person zeigt. Einen weiteren wichtigen Faktor stellt der Kontext dar.


    Beruf?

    Partnerschaft?

    Freundschaft?

    Ist es ein Forum?

    Welche Auswirkungen hat das Verhalten?

    ...

  • Genau, vielseitiges Verhalten und das könnte an verschiedensten Orten stattfinden.

    Da muss man dann schauen und abwägen, ob man es bewältigen und händeln könnte.


    Mir ging es in meinem Beitrag hauptsächlich darum, kurz anzusprechen, dass es nicht nur diesen heldenhaft sein wollenden Opfertypen gibt.

  • Mir ging es in meinem Beitrag hauptsächlich darum, kurz anzusprechen, dass es nicht nur diesen heldenhaft sein wollenden Opfertypen gibt.

    Sehe ich ähnlich. Menschen gehen unterschiedlich mit dem um, was ihnen widerfahren ist.

  • Hey, genau da bin ich gerade :)

    Ich lese quer ^^ Hast Du schon die Stelle mit d. Mikroaggressionen gelesen? O.o


    Zitat

    Durch ihre Bitte machte eine Stewardess den Professor zum Opfer. Derald Wing Sue und sein Professoren-Kollege hatten gerade im kleinen Flugzeug Platz genommen.


    Dazu gibt es auch einiges im Netz:

    Zitat

    Das wesentliche Merkmal des Konzepts der Mikroaggression besteht darin, dass es nicht nur um die Worte an sich geht, sondern auch um die Bedeutung, die man ihnen unterstellt. Die Frage „Woher kommen Sie?“ wird nicht deswegen verurteilt, weil die Worte an sich anstößig wären, sondern das soll anstößig sein, was sie vermitteln können. Mikroaggressoren werden für etwas angeprangert, das sie angeblich denken, nicht notwendigerweise für das, was sie sagen. Das ist ein offener Aufruf zur Kontrolle unserer Gedanken.

    Letztlich zählt nicht die Bedeutung der Worte, sondern ob jemand behauptet, sich durch die Worte angegriffen zu fühlen. Weder der Inhalt der Worte noch die Absicht dahinter sind von Bedeutung. Es zählt einzig, dass das vermeintliche Opfer seine Identität durch die Worte missachtet sieht. Somit werden Bedeutung und der Status einer Aussage durch das Opfer definiert. Ignoriert man diese Vorwürfe oder stellt sie in Frage, so macht man sich des unverzeihlichen Verbrechens der „Opferschuldzuweisung“ schuldig.

    https://www.novo-argumente.com…ie_neue_gedankenkontrolle

    3 Mal editiert, zuletzt von Kimi ()


  • Das Buch behandelt es indirekt. Es beschreibt die Widersprüche unserer Gesellschaft und das diese Probleme sogar noch verschlimmert. Sei es jetzt durch die Härte des Gerichtsprozesses, die auch ein Geschädigter hart treffen kann oder einfach durch die gesellschaftliche Aberkennung seiner Probleme.

    Das alles führte dazu, dass jemand, der seinen "Opferstatus anerkannt bekommen hat", in der Gesellschaft als stark empfunden wird - was er ja auch ist. Denn dazu gehört verdammt viel Arbeit. Und diesen Status machen sich schlechte Menschen zu Nutze. Das behandelt das Buch.


    Es beschreibt, wie sich die Gesellschaft immer mehr dazu genötigt fühlt, sich auch schlecht zu fühlen, um anerkannt zu werden. "Ich leide, also bin ich". In Krisenzeiten ist es umgekehrt. Dort empfindet man es als beschämend, als Opfer "anerkannt" zu sein und bekämpft entsprechend diesen Ruf. In einer solchen Gruppierung läuft auch vieles falsch, allerdings gibt es da das Problem nicht, dass Hilfsbedürftige zwiespältig angeschaut werden. Wer dagegen kämpft, als schwach angesehen zu werden, bekämpft seine Trauma wohl schneller als jemand, der dafür kämpft, seine Trauma anerkannt zu bekommen, zumindest solange er die Chance bekommt daran zu arbeiten.


    Um das Problem anzugehen, müssten wir einen Weg finden, dass Opfer nicht darum kämpfen müssen, dass ihr Leid gesehen wird, eine einfache Lösung gibt es dafür aber nicht, denn jede Bekannte hat ihre eigenen Nachteile. Das ist so die Kernaussage des Buches bis zu dem Zeitpunkt, wo ich gelesen habe. Wenn ich mir die Kapitelliste anschaue geht es in den restlichen darum, sein eigenes Handeln zu hinterfragen und zu erkennen, ob man dieses Problem verschlimmert oder gar für sich nutzt. Aber schauen wir mal.

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