Buchbesprechung: "Das Opfer ist der neue Held" von Matthias Lohre

  • Ich habe mich gerade entschieden, folgendes Sachbuch zu kaufen:

    "Das Opfer ist der neue Held: Warum es heute Macht verleiht, sich machtlos zu geben"

    Von Matthias Lohre.


    Kennt jemand das Buch? Empfehlenswert und falls nicht, vielleicht ein Tipp für ein anderes Buch in dieser Richtung?

  • Ich verschlinge es gerade förmlich. Es ist in der Tat sehr gut beschrieben und zeigt mir schon nach dem ersten Kapitel, wo ich mich selbst verbessern kann, weil es nicht nur das Verhalten kritisiert, sondern auch die Gründe dahinter erklärt.

    Einmal editiert, zuletzt von Surrender () aus folgendem Grund: Missverständlich ausgedrückt

  • Ich habe das Buch nicht gelesen, finde das Thema aber gefährlich, weil man nicht jedem, der leidet, unterstellen darf, dass er das nur tut, weil [Argumentation aus dem Buch]. Manche Menschen hat es einfach beschissen erwischt. Da darf man auch mal Mitleid haben, Mitgefühl zeigen, trösten, da sein, ohne irgendeine wilde These aufzustellen, dass derjenige leiden will, weil ihm das Macht verleiht oder warum auch immer. Die meisten Menschen, die wirklich leiden, würden lieber nicht leiden wollen und wünschten, sie könnten anders.


    Habe den ersten Absatz vom Artikel gelesen und den Rest überflogen. Der Typ ist, was eine kurze Google-Suche zutage fördert, ein Journalist und Autor, der Anglo-Amerikanistik und Anglizistik studiert hat. Was genau qualizifiert ihn denn jetzt eigentlich, eine Gesesellschaftsdiagnose zu stellen? Und was genau ist daran "objektiv"? Sofern den Überlegungen im Buch keine anerkannten soziologischen und psychologischen Theorien und/oder Forschungsprojekte zugrunde liegen, würde ich mal behaupten: nix, aber auch nix qualifiziert den Typen und nix, aber auch nix ist daran irgendwie "objektiv". Er ist ein Schwätzer. Unabhängig davon, dass jegliche Gesellschaftsdiagnose viel zu kurz greift und die Komplexität der Gesamtentwicklungen und Dynamiken der Gesellschaft an sich aussen vorlässt.


    Ich denke, dass solche Aussagen vielen gefallen werden, vielen solchen Schwätzern, die sich nicht mit dem Leid anderer auseinandersetzen und "es ja schon immer gewusst haben" wollen, dass "das jetzt in der Gesellschaft eben so ist, der hat Recht, der Autor", und dass die Leidenden ja leiden wollen, und eben nur nicht mehr leiden wollen müssen, schon hätten sie kein Leid mehr ("Du musst nur wollen, dann geht das auch"). Da werden ganz viele nickend und aha-end die Seiten umblättern und dann beim nächsten Abendessen mit Freunden und Familie mit klug aufgesetzter Stimme die Inhalte zum Besten geben. Mehr passiert aber auch nicht. Und welchen Mehrwert soll das haben? Ausser, dass sich jemand klug und bestätigt fühlen durfte?


    Niemand muss sich mit Leid auseinandersetzen wollen. Wer aber unreflektiert mit solchen Büchern (und laienhaften Gesellschaftsdiagnosen) nickend die Gesellschaft erklärt, hat jetzt nicht gerade den puren Intellekt und das differenzierte Denken für sich gepachtet. Meist sind's jedoch genau die Leute, die sich dann wer weiss wie intelligent vorkommen und meinen, ganz sicher zu den Richtigen und zu den Guten zu gehören. Und jeder, der nicht so denkt, ist eh doof oder [situativ passende abwertende Eigenschaft einfügen], und hat nur nicht erkannt, dass die Welt so und so beschaffen ist. Der muss das nur erkennen. Der muss ja nur wollen. Dann geht das auch.


    Mich ärgern solche populären Gesellschaftsdiagnosen von Laien deshalb nur. Die werden gelesen, als seien es Fachbücher, dabei ist das da nicht mal ein populärwissenschaftliches Sachbuch. Das ist Unterhaltung. Unterhaltung wie ein seichter Gesellschaftsroman. Mehr nicht. Und dessen sollte man sich beim Lesen bewusst sein.


    Würde schon bei solchen Büchern allen hier ans Herz legen sich zu fragen, was man da genau liest und was den Autor dazu befähigt, solche Thesen aufzustellen. Und was in der Folge der wissenschaftliche Wert solcher Thesen ist (in dem Fall gleich 0). In dem Fall hätte das nämlich genauso einer von euch schreiben können und weniger wissenschaftlich wertvoll wäre das wahrscheinlich nicht geworden. Entsprechend sagt das nix über die Gesellschaft und über die Menschen aus, die in ihr leben; das ist inhaltlich so einfach nicht aussagekräftig - es sei denn, man wirft (zum Beispiel) diskurstheoretisch einen Blick darauf aus soziologischer Perspektive und würde sich fragen, warum solche Aussagen derart anschlussfähig sind. Denn das ist es ja: ein offenbar sehr anschlussfähiges Angebot an gesellschaftlicher Selbstbeschreibung. Mehr aber auch nicht. Und wissenschaftliche und damit soziologische (also die Gesellschaft erklärende) Aussagekraft hat das nicht.

    11 Mal editiert, zuletzt von MadMax ()

  • Würde bei solchen Büchern allen ans Herz legen diese erst zu lesen und sich dann ein eigenständiges Urteil zu bilden.

    Dem schließe ich mich an.


    Die Urheberschaft sagt nichts über den Wahrheitsgehalt oder den Wert einer Sache aus. Den Inhalt kann man erst dann beurteilen, wenn man sich mit ihm beschäftigt hat.

  • Nein, es geht bei dem Thread nicht um wissenschaftliche Bücher. Aber hier geht es um ein Sachbuch, dessen Autor NICHTS aber auch GAR NICHTS fachlich befähigt, sich mit mit dem Gegenstand aussagekräftig auseinander zu setzen, den er behandelt (Gesellschaftsdiagnose/Gesellschaftsbeschreibung). Um das zu wissen, muss ich das Buch nicht gelesen haben, denn der Typ hat nachweislich keinen sozial- oder humanwissenschaftlichen Hintergrund. Entsprechend hat er keine oder nur obeflächlich Ahnung von Methoden, Theorien und aktuellen Forschungsthemen dieser Fachdisziplinen (letzteres sieht man übrigens schon anhand des kleinen Ausschnitts im Artikel, siehe unten). Er beschreibt im Buch lediglich seine eigenen alltäglichen Beobachtungen. Das hat absolut keine wissenschaftliche Aussagekraft, ausser, nun ja, dass es halt die alltäglichen Beobachtungen von irgendeinem random Typen sind, der als Journalist und Publizist arbeitet. Es könnten im gleichen Stil genauso Surrender, Outlaw und Stone ihre alltäglichen Weltbeobachtungen in einem solchen Buch beschreiben. Das wäre auch nix anderes. Wenn einen das interessiert, kann man sich damit ja gern auseinandersetzen. Aber wie die Welt so und so beschaffen ist, findet man damit sicherlich nicht heraus. Es ist dann Unterhaltung und vllt. davon ausgehend anregend. Mehr ist es aber auch nicht. Es ist keine legitime, haltbare Weltbeschreibung und so ziemlich das Gegenteil von Objektivität. Objektivität meint nicht, dass man vielfältige politische Beispiele auswählt. Objektivität meint, ob die Erkenntnisse unabhängig von der Person des Forschers erlangt wurden. Objektivität meint, ob Daten unabhängig von der konkreten Person des Forschers erhoben wurden. Objektivität meint intersubjektive Nachprüfbarkeit. All das ist in diesem Buch nicht gegeben. Dazu muss ich es nicht lesen. Da reicht der Auszug unten.


    Trotzdem wird das Buch dann von Leuten gelesen, die diese Erklärungen als aussagekräftige Gesellschaftserklärungen verstehen. Und die dann, darauf basierend, z.B. Menschen, die leiden, ihr Leid absprechen.


    Buchauszug:

    Zitat

    Seither hat unsere Gesellschaft sich radikal individualisiert. "Die Sehnsucht, irgendwo dazuzugehören, gibt es aber nach wie vor", sagt der italienische Literaturwissenschaftler Daniele Giglioli. So unterschiedlich wir auch sind: "Auf das Gefühl, Opfer dunkler Mächte zu sein, darauf können wir uns einigen. Weil es uns nichts anderes abverlangt als das Gefühl, an nichts schuld zu sein." Der Opferstatus befriedigt die Sehnsucht vereinsamter moderner Menschen nach Unschuld und Zugehörigkeit – ganz ohne die moralischen Grautöne und lästigen Pflichten, die echte Gemeinschaften ihren Mitgliedern zumuten.


    Welcher Individualisierungsbegriff wird hier verwendet? Es gibt in der Soziologie mehr als einen! Denn damit geht die Frage einher: Wie kommt Individiualisierung zustande? Man kann nicht einfach sagen: "seither hat sich unsere Gesellschaft radikal individualisiert" - ja, warum denn, inwiefern? Welcher Individualisierungsbegriff wird hier vertreten? Und was genau befähigt den italienischen Literaturwissenschaftler Daniele Giglioli denn genau, diese Aussage zu treffen? Ganz davon zu schweigen, dass das so eine Aussage ist, der jeder zustimmen würde, denn jeder möchte irgendwo dazugehören - so erscsheint es mir lächerlich, dass da ein Literaturwissenschaftler zitiert wird, anstatt sich wenigstens irgendeinen kritischen Soziologen zu krallen, der zumindest fachlich dann im Einklang mit einem bestimmten Individualisierungsbegriff so eine Aussage vllt. treffen könnte. Ganz so, als würde allein das Wort "Wissenschaftler" der Aussage Legitimität verleihen.


    Warum in aller Welt sind moderne Menschen "vereinsamt"? Das wird hier einfach so hingestellt, als wäre das so, und wird so ein bisschen salopp mit der "radikal individualisierten Gesellschaft" in Zusammenhang gesetzt - aber ähm, gleichermassen wird nicht beschrieben, welcher Individualisierungsbegriff verwendet wird. Es wird nicht mal explizit gesagt, dass die Vereinsamung durch die Individualisierung begründet ist. Und nein - es ist nicht selbsterklärend, was Individualisierung ist. Das weiss jeder, der bspw. mal Beck oder Foucault gelesen hat.


    Und was genau sind jetzt "echte Gemeinschaften"?


    Das sind halt alles haltlose Behauptungen. Nichtfachliche Alltagsbeobachtungen und Alltagsschlussfolgerungen des Autors.


    Die "echten Gemeinschaften" werden ja hier so ein bisschen angesprochen:

    Zitat

    Die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Gleichheit steckt tief in uns, sie gehört zum genetischen Erbe unser Jäger- und Sammler-Vorfahren. Für diese zählte nicht persönlicher Besitz, sondern sozialer Zusammenhalt. Nicht starre Hierarchien prägten ihren Alltag, sondern gemeinsam getroffene Entscheidungen. Für dieselben Werte glauben die neuen Opfer zu kämpfen.

    Echte Gemeinschaften sind also laut Autor vormoderne, traditionelle Gesellschaften der Frühmenschen. Tatsächlich geht man in der Soziologie davon aus, dass solche Gesellschaften durch das Prinzip der Reziprozität strukturiert waren. Aber das wird hier vom Autor nicht gesagt. Stattdessen wird romantisiert und mit positiv konnotierten Begriffen von "sozialem Zusammenhalt" geschwafelt, und dass "persönlicher Besitz" nicht zählte - tatsächlich ist es so, dass man in der archäologischen Forschung die Herausbildung von ersten Hierarchien anhand von materiellen Grabbeigaben interpretiert. Aber inwiefern "persönlicher Besitz" dabei nicht gezählt hat, oder ob "sozialer Zusammenhalt" das war, was wir heute darunter verstehen, vermag uns das nicht zu sagen. Erste Hierarchien durch Grabbeigaben sind im Übrigen schon bei Frühmenschen zu beobachten, die als Jäger und Sammler verstanden werden. Und wir wissen aus der archäologischen Forschung nur sehr wenig über die sozialen Strukturen von solchen Frühmenschengesellschaften. Schon gar nicht wissen wir, ob "gemeinsam getroffene Entscheidungen" ihren Alltag prägten. Und so etwas würde man in der Soziologie auch nicht annehmen. Das Prinzip der Reziprozität hat rein strukturellen Charakter und keinen wertend romantischen Beigeschmack.


    Der Absatz ist also soziologisch und archäologisch blanker Bullshit. Dass irgendwelchen neuen Opfern dann unterstellt wird, für solche Werte zu kämpfen, ja, warum denn? Wird einfach nur behauptet. Begründet wird das nicht. Und schon gar nicht kann man das durch archäologisch und soziologisch blanken Bullshit begründen.


    Es gäbe hier in der Soziologie wirklich viele schöne Angebote, sowohl aus kritischer als auch als systemtheoretischer Perspektive, mit denen man auf das tatsächlich auch meiner Wahrnehmung nach gesteigerte Bewusstsein über "Opfer" und die Zunahme, solche Haltungen einzunehmen, blicken und versuchen könnte, dies gesellschaftstheoretisch zu erklären. Systemtheoretisch wären hier zum Beispiel Gleichheitssemantiken interessant.


    Aber das? Dieses Buch? Das sind subjekte Alltagsbeoachtungen. Völlig egal, wie viele politische Beispiele da herangezogen werden. Wenn ich Lust hätte, das Buch zu lesen, könnte ich selbst dir eine andere Erklärung und Beschreibung der "Opferhaltungen" anbieten und die gleichen politischen Beispiele in meiner Argumentation so benutzen, dass sie dann was ganz anderes aussagen und du darin was ganz anderes sehen kannst als das, was der Typ beschreibt.


    Isso. Dafür brauch ich es nicht lesen. Da genügen die Absätze oben. Und das ist auch keine "Projektion", das ist einfach quellenbewusstes Lesen.


    Das Buch ist Sachbuchunterhaltung. Damit kann man sich auseinandersetzen, wenn einen das interessiert und man das Gefühl hat, das ist irgendwie anregend, aber eine tatsächliche Aussagekraft hinsichtlich einer legitimen, wissenschaftlich nachvollziehbaren Gesellschaftsbeschreibung hat das nicht. Und bei Gott, so etwas trifft keine "objektiven" Aussagen. Dazu müsste man z.B. Diskursforschung zum Thema betreiben.


    Und nein, es kann nicht jeder lustig "für sich selbst entscheiden", was "objektive" Aussagen sind. Dafür gibt's nicht umsonst einen gesamten Zweig der Philosophie, die Wissenschaftstheorie, die alle Fachdisziplinen für sich nutzen, um festzulegen, was es bedeutet, möglichst objektive Wissenschaft zu betreiben. Man kann sich von solchen Büchern unterhalten und anregen lassen. Aber man sollte wissen, dass darin sicherlich keine objektiven Gesellschaftsbeschreibungen gegeben werden.

    4 Mal editiert, zuletzt von MadMax ()

  • Eine kurze Google-Suche nach Daniele Giglioli hat übrigens ergeben, dass der Typ, ähnlich wie unser Matthias Lohre, sich auch schon in einer ähnlichen Weise mit dem Thema "Opferhaltungen" befasst und ein thematisch ähnlich strukturiertes Buch veröffentlicht hat. Vielleicht sagt Lohre das ja an anderer Stelle. Dass es genau an der Stelle nicht gesagt wird, lässt mir die Aussage aber noch fragwürdiger erscheinen als zuvor.

  • Schade, dass du deinen Beitrag abänderst (11xbereits). Das ist schon sehr aussagekräftig. Dabei habe ich den Thread wirklich mehr als Unterhaltung über Bücher betrachtet. Und nicht etwa als Seminar über Fachbücher.

    Trotzdem denke ich, dass du letztendlich eine gute Absicht verfolgen willst. Ich habe das tatsächlich - unbedarft wie ich bin - mehr als small talk gesehen. Mein Fehler. Wobei ich sehr schnell aus meinen Fehlern lerne. kqjdhakjhdjak
    2 ******* die über ein Buch diskutieren, was sie beide nicht gelesen haben. Ist schon spannend.:flower:


    Ich würde dem Autor auch nicht Dinge unterstellen, wie du es im ersten Absatz deines postings gemacht hast.:flower: Die Grundsaussage des Buches habe ich anders verstanden.

    Ja - das ist insofern aussagekräftig, dass ich nicht einfach meine Gedanken rausrotze, sondern mir über die Gedanken nochmal Gedanken mache und dann sprachlich umformuliere, um gewisse Punkte zu verdeutlichen und die Struktur klarer zu machen. Den Inhalt selbst ändere ich so gut wie nie.


    Es geht nicht um ein Seminar über Fachbücher. Es geht darum, dass man so etwas lesen soll im Bewusstsein dessen, dass in dem Buch keine objektiven Aussagen über die Gesellschaft gemacht werden. Es ist Unterhaltung und enthält subjektive Alltagsbeobachtungen eines random Typen, die in ihrer objektiven Aussagekraft über den behandelten Gegenstand nicht mehr wert sind als die von Stone oder von Outlaw. Und deshalb ärgere ich mich über solche laienhaften Gesellschaftsdiagnosen. Die werden dann gelesen, als wären das Fachbücher - dabei ist das nicht einmal ein populärwissenschaftliches Sachbuch. Es ist die unqualifizierte Meinung eines Journalisten. Und als das kann man sich davon unterhalten und anregen lassen, mehr sollte man damit aber nicht tun.

  • Ich würde dem Autor auch nicht Dinge unterstellen, wie du es im ersten Absatz deines postings gemacht hast.:flower: Die Grundsaussage des Buches habe ich anders verstanden.

    Die Grundaussage des Buches bezieht sich auf Opfer, die keine sind und begründet die zunehmende Opferhaltung und Selbstbeschreibung als Opfer mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Dabei wird cringy unterschieden zwischen "echten" und "unechten" Opfern u.a. mit der Behauptung, dass sich hauptsächlich Menschen für Nachteilsausgleiche benachteiligter Gruppen einsetzen, die selbst nicht zu diesen benachteiligten Gruppen zählen und sich deren traumatisierende Erfahrungen damit zu eigen machen. Woran das aber festgemacht wird, ausser an subjektiven Alltagsbeobachtungen des Autors, wird nicht aufgezeigt. Es handelt sich hier also um eine "subjektive Diskursbeobachtung". Das hat mit echter Diskursforschung dazu nichts zu tun. Entsprechend kann man davon ausgehend nicht wissen, ob sich wirklich überwiegend Nicht-Opfer für Opfer einsetzen bspw., oder ob diese Initiativen nicht ganz häufig von selbst Betroffenen lanciert werden. Was denn sonst so ein "echtes" und was ein "unechtes" Opfer ist, vermag ich anhand der Zeilen des Autors so dann jetzt auch nicht zu sagen.


    Könnte ein "Gefühl" sein, insofern man also das "Gefühl" hat, jemand sei "kein echtes Opfer", dann ist er das auch nicht. Das macht es jetzt aber auch nicht besser.


    Und auf genau der Basis gehen dann Leute hin, die dieses Buch gelesen haben, und sprechen Leidenden noch überzeugter ihr Leid ab. Deshalb halte ich solche Bücher immer für etwas gefährlich, weil die Menschen einfach - wie man ja auch hier in diesem Thread an dir, Kimi und Surrender sieht - nicht quellenbewusst lesen. Und mehr wollte ich nicht aussagen.

    3 Mal editiert, zuletzt von MadMax ()

  • Und zum xten-Mal: Die Objektivität bezog sich auf darauf, das zwei politische Richtungen ausgeleuchtet wurden.

    Ja, eben. Das ist aber keine Objektivität. Das macht die Aussagen in dem Buch nicht objektiv. Das Buch ist einfach nicht objektiv. Das hat nichts mit "Spassverderber" zu tun - es ist kein Spass, wenn Aussagen als objektiv begriffen werden, die es nicht sind. Und nein, es kann eben nicht jeder lustig "für sich selbst entscheiden", was objektive Aussagen sind. Wenn du deshalb nicht mehr im Thread mitmachen willst, weil die böse Wissenschaftstheorie dir untersagt, selbst zu entscheiden, was objektiv ist - na ja, dann sei's drum.


    Zitat

    Man liest doch so ein Buch nicht, um es dann wie eine Bibel herum zutragen.

    Man sollte den Leuten auch schon zutrauen, dass sie sich mit dem Inhalt kritisch beschäftigen und dann eigene Schlüsse ziehen, anstatt gleich mit dem Koran aufzutauchen

    und den Zeigefinger zu erheben.

    Ja, das sollte so sein - sich kritisch damit beschäftigen. Ist aber ganz oft nicht der Fall, weil vielen Leuten (meine jetzt nicht Surrender oder irgendwen persönlich) die Kompetenz fehlt, solche Quellen und deren Aussagekraft zu beurteilen. Es sind nicht alle Leute total klug und disziplinübergreifend bewandert. Mag sein, dass du das bist, dass ich das bin, dass alle hier das sind, aber es ist nun mal nicht jedes Kind hochbegabt. Speaking of Gleichheitssemantiken.


    Ich will jetzt keine User konkret blossstellen und deshalb gebe ich dir kein konkretes Beispiel, aber wenn du bspw. hier aufmerksam schaust, wirst du sehen, dass schon häufiger Unterhaltungssachbücher herangezogen werden, um Argumente zu unterstreichen. To be fair, das waren oft wenigstens populärwissenschaftliche Sachbücher und entsprechend hatte der Autor wenigstens eine Ahnung davon, wovon er spricht. Trotzdem gibt es gerade in den Sozialwissenschaften und auch in der Psychologie unterschiedliche theoretische Perspektiven - da muss nicht die in dem und dem Buch die einzig Richtige sein. Ich bin immer dafür, mit so etwas vorsichtig und quellenbewusst umzugehen. Mehr wollte ich nicht sagen.



    ----


    BTW: du selbst hast deinen Beitrag 11x bearbeitet. Und das sagt nun wirklich nichts über seinen Inhalt aus. Das ist doch Unfug. Es zeigt eben allerhöchstens, dass man sich Gedanken über die eigenen Gedanken macht. Wenn man sonst kein Argument hat...

  • Du erklärst hier Selbstverständlichkeiten. Kein Mensch hat es bisher als wissenschaftliches Buch gesehen.

    So sehe ich das auch. Ich sehe in solchen Büchern Meinungen und Sichtweisen, keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Objektivität.

    Keine Dogmen, sondern einfach nur Denkanstöße.

  • So sehe ich das auch. Ich sehe in solchen Büchern Meinungen und Sichtweisen, keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Objektivität.

    Keine Dogmen, sondern einfach nur Denkanstöße.

    Genau das, so sehe ich das auch nach zwei Kapiteln. Der Autor beansprucht auch keine wissenschaftliche Korrektheit, wenn er auch wissenschaftliche Thesen zitiert.


    Viel mehr geht es in dem Buch darin, sich selber zu hinterfragen, läuft man dieser Manipulation des "Opfers" hinterher oder aber ist man selbst jemand, der den Opferstatus nutzt?


    Er urteilt nicht, im Gegenteil, über echte Geschädigte, es geht viel mehr darum zu erkennen, wenn jemand sich als Opfer darstellt, um Macht auszuüben. Es geht darum, sich selber zu hinterfragen, nicht darum mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.


    Ich mags bisher. Das es keine wissenschaftliche These ist, ist ja offensichtlich.

  • Ich finde Meinungen von Menschen zu Themen, die ich als relevant betrachte, allgemein interessant – ganz egal, welchen Hintergrund diese Menschen haben. Andere Hintergründe sorgen für andere Sichtweisen. Das erhöht das Spektrum, und oftmals empfinde ich komplett andere Blickwinkel als bereichernd.


    Das bedeutet nicht, dass man solche Meinungen nicht kritisch hinterfragen sollte, aber man sollte sie eben auch nicht einfach abtun, sondern sie stattdessen einfach nur in Relation setzen und das eigene Gedankenkonstrukt damit gegebenenfalls erweitern.

    Selbst wenn es nur ein einziger Denkansatz ist, den man selbst vervollständigen möchte. Solange ein Autor halbwegs intelligent ist, besteht diese Chance, und dann reicht mir das schon.

  • Genau das, so sehe ich das auch nach zwei Kapiteln. Der Autor beansprucht auch keine wissenschaftliche Korrektheit, wenn er auch wissenschaftliche Thesen zitiert.


    Er urteilt nicht, im Gegenteil, über echte Geschädigte, es geht viel mehr darum zu erkennen, wenn jemand sich als Opfer darstellt, um Macht auszuüben. Es geht darum, sich selber zu hinterfragen, nicht darum mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.


    Ich mags bisher. Das es keine wissenschaftliche These ist, ist ja offensichtlich.


    Welche wissenschaftlichen Thesen werden denn zitiert?


    Zitat

    Viel mehr geht es in dem Buch darin, sich selber zu hinterfragen, läuft man dieser Manipulation des "Opfers" hinterher oder aber ist man selbst jemand, der den Opferstatus nutzt?

    Er urteilt nicht, im Gegenteil, über echte Geschädigte, es geht viel mehr darum zu erkennen, wenn jemand sich als Opfer darstellt, um Macht auszuüben. Es geht darum, sich selber zu hinterfragen, nicht darum mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.


    Ich halte diese Beschreibung auf der o.g. cringy Unterscheidung zwischen "echten" und "unechten" Opfern und fussend auf Behauptungen wie "Es sind immer Leute, die keine Betroffenen sind, die solche Initiativen lancieren" für haltlos, krude und absolut kritikwürdig. Wie wird denn bitte unterschieden zwischen "echt" Geschädigten und "unecht" Geschädigten?! Und worauf fusst die Annahme, es wären überwiegend Nicht-Betroffene, die Initiativen für einen Nachteilsausgleich bzw. zum Schutz Betroffener lancieren?


    Das führt zu solchen Sachen, wie dass dann jemand mit noch mehr Überzeugung jemand anderem das Leid absprechen darf, weil der "ja nur den Opferstatus nutzt". Und um das doppelt zu legitimieren, wird dann auf diese kruden Thesen verwiesen. Und dann?

    Einmal editiert, zuletzt von MadMax ()

  • So sehe ich das auch. Ich sehe in solchen Büchern Meinungen und Sichtweisen, keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Objektivität.

    Keine Dogmen, sondern einfach nur Denkanstöße.

    Ja und um nichts anderes ging es mir. Mich hat einzig der Anspruch auf "Objektivität" angestossen. Offenbar war damit politische Neutralität gemeint. Das mag sein. Mit Objektivität hat politische Neutralität aber nichts zu tun.

  • Mag sein. Ändert nichts daran, dass es lediglich Deine Vermutung ist - eine These, die Du überprüfen könntest, indem Du das Buch liest. :)

    Wie oben gesagt, alleine diese "Gemeinschaft der Frühmenschen", mit dem das Streben des Menschen nach Zugehörigkeit begründet wird, ist soziologisch und archäologisch Unfug. Es gibt keine Argumentation, die das retten könnte, wenn die Argumentation auf so etwas aufbaut.


    Die Thesen sind krude und gefährlich, weil sie dazu dienen können, dass Menschen anderen Menschen mit diesen kruden Thesen scheinbar legitimiert ihr Leid absprechen. Unterhaltungssachbücher mit kruden, gefährlichen Thesen sind immer gefährlich, weil viele Menschen eben nicht unterscheiden können, dass es sich hier um Unterhaltung bzw. eine Einzelmeinung in Form von einem Sachbuch und nicht etwa um Fachliteratur oder wenigstens ein populärwissenschaftliches Sachbuch handelt. Alleine, wenn gesagt wird, die Thesen seien objektiv, weil sie politisch neutral sind - da muss man schon begrifflich differenzieren. Die Thesen sind nicht objektiv. Das erkenne ich an der Frühmenschen-Argumentation. Politische Neutralität bedeutet nicht, dass etwas objektiv ist. Das wollte Jerk auch nicht aussagen, ja. Aber da muss man einfach begrifflich differenzieren.


    Man darf das Buch lesen und ja, natürlich können auch fachfremde Autoren gute Sachbücher schreiben. Ich bin dennoch der Meinung, dass jemand mit einer Ausbildung in einem Fachgebiet mit höherer Wahrscheinlichkeit geeignet ist, da etwas Wertvolles beizutragen. Natürlich muss das nicht immer so sein.


    In diesem Fall ist es aber eben so, wenn ein einziger Textauszug so viel cringy Zeug enthält, von dem einiges auch einfach nur falsch ist. Und darauf soll dann die Argumentation aufbauen...

  • Wie oben gesagt, alleine diese "Gemeinschaft der Frühmenschen", mit dem das Streben des Menschen nach Zugehörigkeit begründet wird, ist soziologisch und archäologisch Unfug.

    Worauf basiert Deine Behauptung? Bist Du Archäologe o. Soziologe? Fakten? Quellen? ;-)

  • Worauf basiert Deine Behauptung? Fakten? Quellen? ;-)

    2 Beispiele.


    Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

    Conrad, N. & Adler, D.S. (1997): Lithic reduction and Hominid Behavior in the Middle Paleolithic Rhineland. In: Journal of Anthropological Research (54). S. 147-175.

  • Wie oben gesagt, alleine diese "Gemeinschaft der Frühmenschen", mit dem das Streben des Menschen nach Zugehörigkeit begründet wird, ist soziologisch und archäologisch Unfug.


    Worauf basiert Deine Behauptung? Bist Du Archäologe o. Soziologe? Fakten? Quellen? ;-)


    2 Beispiele.


    Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

    Conrad, N. & Adler, D.S. (1997): Lithic reduction and Hominid Behavior in the Middle Paleolithic Rhineland. In: Journal of Anthropological Research (54). S. 147-175.

    Würdest Du das bitte ausführen? Wo stützen sie Deine „These“, dass das (was genau?) Unfug sei?


    Werde heute nicht mehr darauf eingehen. Spätestens am Wochenende hole ich es nach.

  • Danke für den neuen Thread.


    Zum Thema:



    Welche wissenschaftlichen Thesen werden denn zitiert?

    Er hat zum Beispiel eine über amerikanische Kriegsveteranen genommen. Mir fällt gerade der Name nicht zu ein (hab das Buch nicht bei mir), kann ich aber nachliefern, wenn ich das nächste Mal das Buch bei mir hab und dran denke. Das oft nicht die Ursache des Traumas (der Krieg), sondern der Umgang damit danach das Problem ist.



    Für mich ist es interessant zu lesen, weil ich mich drin spiegeln kann. Ich kann mich selbst als "unechtes" Opfer entlarven und ich denke, so ist das gemeint. Er sagt auch ganz klar, dass es nicht darum gehen soll, Leuten hinterherzujagen und ihren Bedürftigenstatus abzusprechen.


    Viel mehr schreibt er seine Meinung über die Probleme der Gesellschaft, warum wir das überhaupt tun - warum es Leute gibt, die sich als Opfer fühlen aber es objektiv gar nicht sind. Warum sie so fühlen, was die Beweggründe sind - und wie unsere Gesellschaft es begrüßt.


    Zum einen damit, dass man, um vom eigenen Staat als bedürftig zu gelten, da richtig kämpfen muss für. Das sind die Probleme, die er anspricht. Das es in den Köpfen der Leute angekommen ist, dass ein Opfer irgendwie anerkannt werden muss - und damit was "geschafft" hat. Es inzwischen wie ein sozialer Status funktioniert und damit Menschen das Gefühl gibt, dieser jenige hat was geschafft, indem er "anerkanntes Opfer" wurde. Da es soooo unglaublich schwer ist, in unserer Gesellschaft seine Probleme nicht kleingeredet zu bekommen.


    Ich weiß natürlich nicht die Pointe des Buches, von daher warten wirs ab. Ich habe schon ein wenig in meinem Leben umgekrempelt - geringfügige Kleinigkeiten, wo ich mich jetzt nicht unbedingt als Opfer sah - aber hilflos - dabei bin ichs gar nicht.

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