• Ich frage mich in dem Zusammenhang auch immer wieder, wo der Übergang ist von Prinzipientreue zur Doktrin.


    Bei uns ist es schon länger so (und dieses Muster zu begreifen, hat lange gedauert und ist im Erkenntnisprozess auch nicht abgeschlossen), dass ich ihr Wertesystem nicht übernehme, es aber als legitim betrachte, dass es sich von meinem Unterscheidet - und dass genau das für sie ein Problem ist, denn ihr Wunsch ist es nicht, von mir toleriert zu werden, sondern dass ich (O-Ton) "zu ihr zurückkomme". Sie nimmt die bloße Existenz meines eigenen, von ihrem abweichenden Wertebildes als kränkend und zurückweisend wahr und reagiert entsprechend, was wiederum mich immer wieder verletzt, weil es so brutal auf eine persönliche Ebene geht, die mich innerlich stark entmachten kann.


    Für mich wird dieses Muster immer deutlicher, und nach wirklich anstrengenden, heftigen und zermürbenden Auseinandersetzungen ist es nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten sehr, sehr anders zwischen uns, weil wir beide auf unterschiedliche Weise dahingehend resigniert haben. Wir sind jeder für sich sehr streitmüde, und trotz kleiner Rückschläge baut sich die ganze Ehe zu etwas anderem, deutlich nüchternerem um. Das ist vielleicht auch notwendig, ich weiß es nicht. Vielleicht beginnt erst jetzt wahre Toleranz, wenn der Kampf endet.


    Jedenfalls, um mal den Bogen zu dir zu schlagen, finde ich mich in deinen Worten teilweise wieder, und ich will dir sagen: Es wird nicht besser werden. Er wird nicht damit aufhören, und zwar deshalb, weil er denkt, er täte dir etwas Gutes.


    Agiere jetzt. Ändere etwas. Wenn er reflektionsfähig ist, binde ihn in deine Gedanken ein.


    Ist er es nicht, mache dich auf eine anstrengende Zukunft gefasst, in der es passieren kann, dass Prinzipien eine höhere Priorität besitzen als du als Mensch.

  • Ich auch! Mein Freund ist so jemand. Ich empfinde es als anstrengend, dass er so wenig pragmatisch und stark idealistisch ist. Und ehrlich gesagt auch, dass er es so einfach aussehen lässt, sich von seinen Werten leiten zu lassen. Dieser letzte Teil lässt mich denken, dass ich also nicht einfach nur von einem anderen, ebenso "tugendhaften"/guten Wert erfüllt bin, so wie du (Freiheit im Denken), sondern einfach nur faul und bequem sein möchte. Das wäre dann wiederum ein "Wert", den ich an mir nicht wirklich akzeptieren kann.

    Ich empfinde es auch als sehr anstrengend, wenn jemand zu strikt nach seinen Idealen lebt und noch mehr, wenn die Person es auch von anderen verlangt.

    War dein Freund schon zu Beginn eurer Beziehung schon so gewesen oder haben sich seine Wert erst im Laufe der Jahre so entwickelt?

    So wilde Freude nimmt ein wildes Ende,

    Und stirbt im höchsten Sieg, wie Feu'r und Pulver

    Im Kusse sich verzehrt. Die Süßigkeit

    Des Honigs widert durch ihr Übermaß,

    Und im Geschmack erstickt sie unsre Lust.

    Drum liebe mäßig; solche Lieb' ist stät:

    Zu hastig und zu träge kommt gleich spät. -William Shakespeare-

  • Danke für deinen Beitrag, Regenbogen :) Hast du vielleicht ein Beispiel für einen dieser Werte? Und wie er sich für dich im Alltag zeigt?

    Ja, ich wollte dir schon längst antworten, aber irgendwie ist die Antwort dann doch nicht so einfach, wie ich erst dachte und ich musste mich erstmal ein paar Tage lang immer wieder mit dem Thema beschäftigen. Also seht mir bitte nach, wenn die Antwort noch nicht so ausgefeilt ist.

    Zuverlässigkeit ist einer dieser Werte, über die ich nicht nachdenke. Das bin ich einfach, auch wenn ich manchmal grummel, weil ich dann etwas machen muss, was ich lieber wegschieben würde. Ich denke nicht bewusst über diesen Wert nach, weil ich schon so lang damit lebe.


    Ich habe im anderen Beitrag geschrieben, dass meine Wert so selbstverständlich zu mir gehören, dass ich im Alltag gar nicht darüber nachdenken muss. Das muss ich aber korrigieren. Es gibt schon immer mal wieder Momente, in denen es dann nämlich genau um diesen Wert geht und dann handele ich bewusst ihm entsprechend.


    Ich wäge auch immer wieder ab, ob ein Wert, der mir sonst wichtig ist, in einer bestimmten Situation überhaupt so wichtig ist, wie sonst, oder ob nun etwas anderes Priorität hat. Die Freiheit individuell zu entscheiden ist mir auch wichtig.

    Ja, verstehe.

    Ich habe das Gefühl, dass ich ein "tugendhafteres" (mir fällt gerade kein passenderes Wort ein) Leben führen sollte. Und habe deshalb viele solcher Situationen, in denen ich eben bewusst an meine "Werte" denken muss. Irgendwie kommt mir das nicht so ganz richtig vor. Hm.

    Warum solltet du ein tugendhafteres Leben führen? Möchtest du das auch selbst, oder möchtest du dich damit nur deinem Partner anpassen?

    Du musst doch gar nicht so sein, wie er.

  • Ich frage mich in dem Zusammenhang auch immer wieder, wo der Übergang ist von Prinzipientreue zur Doktrin.


    Bei uns ist es schon länger so (und dieses Muster zu begreifen, hat lange gedauert und ist im Erkenntnisprozess auch nicht abgeschlossen), dass ich ihr Wertesystem nicht übernehme, es aber als legitim betrachte, dass es sich von meinem Unterscheidet - und dass genau das für sie ein Problem ist, denn ihr Wunsch ist es nicht, von mir toleriert zu werden, sondern dass ich (O-Ton) "zu ihr zurückkomme". Sie nimmt die bloße Existenz meines eigenen, von ihrem abweichenden Wertebildes als kränkend und zurückweisend wahr und reagiert entsprechend, was wiederum mich immer wieder verletzt, weil es so brutal auf eine persönliche Ebene geht, die mich innerlich stark entmachten kann.


    Für mich wird dieses Muster immer deutlicher, und nach wirklich anstrengenden, heftigen und zermürbenden Auseinandersetzungen ist es nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten sehr, sehr anders zwischen uns, weil wir beide auf unterschiedliche Weise dahingehend resigniert haben. Wir sind jeder für sich sehr streitmüde, und trotz kleiner Rückschläge baut sich die ganze Ehe zu etwas anderem, deutlich nüchternerem um. Das ist vielleicht auch notwendig, ich weiß es nicht. Vielleicht beginnt erst jetzt wahre Toleranz, wenn der Kampf endet.


    Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man, will man diesen Wertekonflikt verstehen, an die gemeinsamen Wurzeln zurückkehrt und schaut, wie man sich anfangs begegnet ist.


    Bei meiner Frau und mir ist es so, dass unsere Werteskala anfangs sehr ähnlich war. Das ist mehr als mein halbes Leben zurückliegend.


    Damals herrschte Krieg, und ich - wir - haben Dinge erlebt, die in mehrere Filme passen.


    Ein knappes Jahrzehnt später kam mit der Abwendung von der Vergangenheit die Selbständigkeit, und unverschuldet gerieten wir parallel dazu beide in eine Situation, die sieben Jahre andauerte und unser Leben bis an die Belastungsgrenze veränderte, und zwar finanziell, organisatorisch und psychisch. Es gab keine Sicherheit, keine Planbarkeit, und vor allem das Beharren auf striktes Einhalten der Strategien zur Verwaltung dieser Umstände trug uns da durch.

    Das klingt jetzt wie dramatisches Geheule, aber ich übertreibe nicht.


    Und ich als Kopfmensch fand keine Antwort, kein Echo im Gegenüber, ich blieb sehr lange sehr alleine. Und dann brach ich alleine auf.


    Irgendwann war die Belastungsplattform überwunden, diese Phase des Durchhaltens vorbei, und später bauten wir das Haus, blabla, ist alles bekannt, aber was ganz grundsätzlich passiert war, das war, dass wir keine Gelegenheit hatten in diesem Jahrzehnt, uns feinfühlig mit der Entwicklung der Werteverschiebung auseinander zu setzen und den anderen abzuholen. Dort, wo das Gegenüber eben war.


    Nun kommen Persönlichkeitsaspekte, Intelligenz, Kompensationsstrategien, Impulssteuerung, Introvertiertheit, Scham, all dies individuelle Zeug eben, zusammen, und man stellt fest, man mag sich, aber vieles ging verloren und schliff sich ab.

  • Und was dann folgt, das ist eine Art Wertekrieg.


    Und danach, ja, danach trennt man sich, oder aber man schließt Frieden. Wir versuchen es aktuell mit Frieden, und ich verfolge dazu eine Strategie der "fairen Autarkie", also zweier Leben, die weniger verflochten sind und unabhängiger voneinander koexistieren, und ich denke, Ende des Jahres kann ich berichten, ob das erfolgreich war oder zum Scheitern verurteilt.

  • Habe mich bisher nicht an diesem Thema beteiligt, weil es mir auch schwer fällt mit dem Begriff „Werte“ etwas in Verbindung zu bringen, was auf mich zutreffen könnte und ich auch lebe.

    Bei mir zieht sich ein gewisser Ordnungssinn, wie ein roter Faden durch mein Leben. Sowohl in materiellen als auch in intellektuellen Dingen, aber auch im Bereich der Gefühle.

    Wenn alles in mir und um mich in meinem Sinn geordnet ist, fühle ich mich am wohlsten.

    Dies kann auf andere etwas pedantisch wirken, ist es zum Teil sicher auch. Ich trage aber die Bereitschaft in mir das ganze aufzulockern, um ein Zusammenleben mit mir erträglich zu gestalten.

    So ist es gut, dass meine Frau und ich getrennte Wohnräume haben, innerhalb unseres Hauses und jede/r viel Zeit für sich verbringt. Es sei noch erwähnt, dass meine Frau durchaus von meiner Ordnungsliebe profitiert.


    Mit ist Ehrlichkeit im Umgang wichtig. Früher war es für mich recht verstörend, wenn ich bemerkte, dass ich angelogen werde. Es tat mir weh, dass andere Personen meinten, mich anlügen zu müssen und ich ihre Sicht der "Wahrheit" (jeder hat seine eigene Wahrheit. Es gibt nicht nur die eine Wahrheit) nicht ertragen oder negativ bewerten oder was auch immer könnte.

    Ich habe mich schwer getan zu lernen, dass Lügen eine gewisse gesellschaftliche nicht nur eine Notwendigkeit darstellt, sondern auch gesellschaftskonform zu sein scheint.

    Ich mag Lügen immer noch nicht, aber ich nehme sie nicht mehr persönlich. Wenn ich auch den Sinn einer Lüge nicht nachvollziehen und verstehen kann, so akzeptiere ich, wenn andere Personen sich über Lügen definieren

    wollen.


    Ich bin Freiheitsliebend und lege wert auf Selbstbestimmung.

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