Ich frage mich in dem Zusammenhang auch immer wieder, wo der Übergang ist von Prinzipientreue zur Doktrin.
Bei uns ist es schon länger so (und dieses Muster zu begreifen, hat lange gedauert und ist im Erkenntnisprozess auch nicht abgeschlossen), dass ich ihr Wertesystem nicht übernehme, es aber als legitim betrachte, dass es sich von meinem Unterscheidet - und dass genau das für sie ein Problem ist, denn ihr Wunsch ist es nicht, von mir toleriert zu werden, sondern dass ich (O-Ton) "zu ihr zurückkomme". Sie nimmt die bloße Existenz meines eigenen, von ihrem abweichenden Wertebildes als kränkend und zurückweisend wahr und reagiert entsprechend, was wiederum mich immer wieder verletzt, weil es so brutal auf eine persönliche Ebene geht, die mich innerlich stark entmachten kann.
Für mich wird dieses Muster immer deutlicher, und nach wirklich anstrengenden, heftigen und zermürbenden Auseinandersetzungen ist es nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten sehr, sehr anders zwischen uns, weil wir beide auf unterschiedliche Weise dahingehend resigniert haben. Wir sind jeder für sich sehr streitmüde, und trotz kleiner Rückschläge baut sich die ganze Ehe zu etwas anderem, deutlich nüchternerem um. Das ist vielleicht auch notwendig, ich weiß es nicht. Vielleicht beginnt erst jetzt wahre Toleranz, wenn der Kampf endet.
Jedenfalls, um mal den Bogen zu dir zu schlagen, finde ich mich in deinen Worten teilweise wieder, und ich will dir sagen: Es wird nicht besser werden. Er wird nicht damit aufhören, und zwar deshalb, weil er denkt, er täte dir etwas Gutes.
Agiere jetzt. Ändere etwas. Wenn er reflektionsfähig ist, binde ihn in deine Gedanken ein.
Ist er es nicht, mache dich auf eine anstrengende Zukunft gefasst, in der es passieren kann, dass Prinzipien eine höhere Priorität besitzen als du als Mensch.