Hallo zusammen,
ich wollte mir etwas von der Seele schreiben, was mich bereits seit vielen Jahren begleitet. Es ist wie ein Schatten der an mir klebt.
Eine "Andersartigkeit", die ich heute für mich akzeptiert habe und mich dennoch mein ganzes Leben begleitet.
Vielleicht geht es ja noch anderen so wie mir?
Wo soll ich anfangen...
Ich kam mit einer Neuromuskulären Erkrankung auf die Welt. Einer Muskelhypotonie. Ich war das erste mal mit 10 Monaten in einer Therapie.
Mit dem Kindergarteneintritt, da war ich 3 Jahre alt, stießen die Erzieher wohl auf ihre Probleme mit mir. Es hieß: Ich würde nicht reagieren, wenn man mich anspricht. An Gruppenaktivitäten hätte ich kein interesse, würde nicht mitmachen und mit anderen Kindern habe ich auch nicht gespielt. Es gab einen Freund den ich irgendwann gefunden hatte, mit dem ich recht gut zurechtkam. Der ist jedoch leider in eine andere Stadt gezogen.
Es gab Gespräche mit meinen Eltern, ich habe es von Anfang an mitbekommen und es hat in mir etwas ausgelöst. Ich hatte verschiedene Angebote, die ich mitmachen sollte. Ergotherapie (wegen meiner Motorik) und psychomotorisches Turnen (wegen meinen Verhaltensaufälligkeiten).
Mit 5 Jahren wurde ich in einem Institut für frühkindliche Entwicklungsverzögerungen untersucht. Es hieß, das ich eine reaktive Störung des sozialverhaltens und der Emotionen habe.
Meine Eltern haben sich dort auch Scheiden lassen und es ist ein wahrer Rosenkrieg entfacht. Es war nicht schön.
Ich erinnere mich, dass ich mit 4 Jahren bereits über den Weltfrieden nachgedacht habe. Nachgedacht habe ich schon immer sehr viel, ich habe versucht die Welt um mich herum zu verstehen.
Dieses Gefühl des anderssein, hat sich wirklich in mir verfestigt gehabt. Denn auch als ich in die Schule kam, habe ich mir eher wie ein Alien unter vielen Menschen gefühlt.
Die anderen Kinder hatten meist andere interessen, oder konnten auch anders miteinander agieren. Ich habe viel beobachtet, geschaut wie andere Miteinander kommunizieren und sich Verhalten. Etwas in mir wollte Gemeinschaft, dazu gehören und Freunde haben. Die Umsetzung war jedoch das problem, so musste ich früh beginnen mich zu Reflektieren.
Ich bin weiblich, habe mich aber nie ganz als Mädchen definieren können. Da war auch etwas männliches, irgendwie beides.
Wenn ich mit anderen versucht habe in Kontakt zu treten, habe ich meist monologe über Themen gehalten, die mich sehr interessiert haben. Ob es die anderen interessiert hat, war fraglich.
In der Regel eher nicht, denn auf den Beurteilungen in der Grundschule stand auch wieder, dass mein Sozialverhalten nicht das wahre wäre, das ich die Regeln des sozialen Miteinanders nicht richtig anwenden, oder verstehen würde.
Da ging es weiter, ich habe versucht mich anzupassen. Ich habe wirklich versucht so zusein wie die anderen, doch irgendwie hat es in der weiterführenden Schule einen richtige Einbruch gegeben. Wo ich in der Grundschule geschafft hatte, unsichtbar mitzulaufen und auch mehr oder weniger Freundschaften zu knüpfen, so änderte sich das in der weiterführenden Schule wieder.
Als Mädchen und Jungen begonnen haben, Beziehungen zu führen, sich zu umarmen und zur Begrüßung zu Küssen, habe ich mich wirklich ganz merkwürdig Gefühlt und konnte damit nichts anfangen. Mein Gedanke war dabei, dass sie mir bloß nicht zu nahe kommen sollen. Ein Freund von Schminken war ich auch nicht, es hat mich einfach nicht interessiert. Ich habe stundenlang Zeichnen können, habe dann noch Klavier gelernt und komponiere Leidenschaftlich gerne, ich liebe Vulkane, Genetik, Poesie, Geschichten schreiben usw. damals habe ich damit natürlich keine Freunde gefunden. Ich wurde zum Mobbingopfer.
Die Schule war für mich ein Ort des grauens, genauso wie das eigene Zuhause. Es gab keine Sicherheit für mich, ich hatte schon immer meine eigene Welt, in der andere Regeln und Gesetze galten, die mich stimmuliert hat und mir komfort schenkte. Ich habe eine unglaublich große Fantasie und bin ein sehr sensibler Mensch. Ich reagiere empfindlich auf Reize. Wenn ich Emotionen verspüre, kommen sie bei mir etwas heftiger zum Vorschein. Es ist auch was schönes, sich richtig freuen zu können und herum zu springen, weil die Freude einfach so stark herauskommt. Jedoch kann ich auf der anderen Seite auch andere zusammenbrüche haben, dass ich in Tränen ausbreche, oder auch mal eine innerliche Wut aufkommt.
Da mein Verhalten oft nicht verstanden und als seltsam abgestempelt wurde, habe ich mich nach und nach mehr verschlossen und versteckt gehabt.
In meiner Jugend, habe ich mich in meinem Zimmer verschanzt. Niemand kam mehr wirklich an mich heran, ich war mit meinen eigenen Sachen beschäftigt.
Ich übte z.B. 6 Stunden Klavier am Tag.
Ich weiß das ich anders bin, das ist auch nicht dass, was mich an der ganzen Sache mitnimmt.
Es ist das, wie Menschen mit mir umgegangen sind. Wie das "Anderssein" als was schlechtes klassifiziert wurde.
Ich bin ein empathischer Mensch, ich spüre auch genau was andere Menschen fühlen. Trotzdem, so paradox das vielleicht klingen mag, verstehe ich sehr schlecht Ironie und Sarkasmus. Ich wurde oft damit verarscht, da ich Aussagen eher wörtlich verstehe und dann auch so ausführe.
Mein Gehirn ist schnell Reizüberflutet und ich habe Sachen, die mich dann stimmulieren. Ich gehe dann aus Situationen in einen Raum, wo ich alleine bin, setze Kopfhörer auf und bewege mich zur Musik.
Jedoch darf das niemand sehen, denn einmal hat mich eine Person dabei erwischt und mich aufgrund meiner seltsamen bewegungen dabei ausgelacht.
Ich habe andere Ticks, die Alltagstauglicher sind. Wenn ich trinke, dann trinke ich im Takt, langsam und habe dabei den Flaschendeckel in einer Hand und knete ihn, wie einen Antistressball.
Diese Technik ist Alltagstauglich und löst keine seltsamen Blicke oder reaktionen aus.
Einfach nur die Kopfhörer im Ohr zu haben und nur meine Musik zu hören, neben dem Stadtlärm, ist auch eine gute und taugliche Methode.
Ich muss euch sagen, ich war wirklich vor ein paar Jahren an einem ganz niedrigen Punkt in meinem Leben, es ging mir unheimlich schlecht. Denn egal wo ich war, ich habe einfach nicht gepasst und man hat es mich spüren lassen.
Doch ich habe einen Schritt gewagt, ein ganz neues Leben angefangen. Ich habe alles hinter mir gelassen, bin weggezogen und mache gerade auch eine Ausbildung, in der ich mich das erste mal richtig Wohl fühle.
Die Menschen nehmen mich wie ich bin, ich darf sein wie ich bin und ich weine immernoch deswegen, weil es ein so wunderbares Gefühl ist.
Warum denn nicht gleich so?! Es macht Spaß, sich einfach austoben zu dürfen, sie lassen mich dort auch machen.
Ich mache zum Beispiel kaum Pausen in der Schule, weil sie mich eher langweilen. Ich arbeite dann in der Bibliothek, kümmere mich um bestimmte Aufgaben dort und andere Dinge.
Meine Lehrer lassen mich all diese Dinge machen, geben mir mehr Arbeitsblätter wenn ich schneller fertig bin, freuen sich wenn sie sehen das ich aufblühe.
Ich kriege Lob. Es ist wahnsinn.
Auch meine Mitschüler sind super, auch wenn ich schwierigkeiten habe mit ihnen in nähere Bindung zu kommen. Ich habe Sozialverhalten sehr gut gelernt über die vielen Jahre.
Auch wenn ich mich dennoch immer wieder Reflektieren muss, da ich unsicher bin, ob das gesagte jetzt so gut war, oder nicht.
Doch sonst, hat sich vieles gebessert. Ich arbeite tatsächlich auch in einem sozialen Bereich, da ich Psychologie und Pädagogik super spannend und interessant finde.
Zu Kinder kann ich zum Beispiel auch, irriwitziger Weise, eine schnellere Bindung aufbauen und komme mit der Arbeit gut zurecht (nur der Lärm, durch den Personalmangel und die überlastenden Situationen gehen mir an die Substanz). Ich bin sehr genau wenn ich arbeite und lege viel Wert auf diversität. Jeder ist für mich ein Individuum und ich Lebe das, was ich damals vermisst habe und vermeide das, was ich an anderen so schrecklich fand.
Im Allgemeinen, ist das alles das beste was mir passieren konnte.
Ich muss das von der Seele schreiben, wer weiß we es vielleicht noch so ergeht und wer vielleicht auch seinen Frieden mit der Andersartigkeit gefunden hat?
Und das Andersartigkeit, kein Hinderniss sein muss, um im Leben auch weiterkommen zu können.
Es ist auch gut, anders zu sein!
Die Leute schätzen meine kreaive, musische Ader, mein Gedächnis, meine Begeisterungsfähigkeit und Leidenschaft.
Sie schätzen meine Ruhe und Geduld.
Und ich schätze es, das ich endlich als Individuum gesehen und akzeptiert werde
Ich hoffe ihr habt noch einen schönen Sonntag
LG Iman
PS: es tut mir leid, der Text ist wirklich lang geworden