Es fällt mir nicht leicht, zu merken, wie es mir geht. Ich sehe oft nur die Momentaufnahme und kann irgendwie meine Gesamtsituation emotional nur sehr schwer fassen.
Aber ich denke, dass es mir momentan sehr schlecht geht. Wenn man meine Tage in Momente aufteilen würde, dann gäbe es sehr viele Momente, in denen ich mich ängstlich, hoffnungslos, traurig und manchmal auch richtig verzweifelt fühle. Heute habe ich mich bis zum Ende der Woche krankschreiben lassen unter einem Vorwand.
Dieses ganze Thema ist für mich mit Scham behaftet. Die Worte kommen gerade nur sehr zäh aus mir heraus. Ich wollte es aber mal aufschreiben und teilen. Keine Ahnung. Vielleicht habt ihr ja eine Idee. Oder ihr kennt das auch?
Ich glaube ich bin krank. Etwas stimmt mit meinem Gehirn nicht. Ich glaube, ich war schon immer so.. oder zumindest schon lange. Als Kind habe ich gemerkt, dass ich viel stärkere emotionale Reaktionen habe als andere. Oder, eigentlich dachte ich, alle fühlen so wie ich, aber zeigen es nicht. Also habe ich auch hart daran gearbeitet, es nicht mehr zu zeigen, und das auch sehr erfolgreich. Der einzige, der weiß, wie es wirklich in mir aussieht, ist mein Freund, und leider belastet das unsere Beziehung extrem.
Gerade ist es so, dass die negativen Emotionen in mir so stark sind, dass ich sie nicht mehr zurückhalten kann und sie machen mir alles kaputt. Eine Kleinigkeit kann mich komplett aus der Bahn werfen. Zum Beispiel, wenn ich meinen Freund (angekündigt) besuche und er die Klingel nicht hört und ich dann 15 Minuten unten vor der Tür warten muss, bis er mal auf sein Handy guckt. In diesen 15 Minuten redet mein Gehirn wie verrückt auf mich ein, dass er mich vergessen hat und sowieso nicht mehr mag, dass ich unwichtig bin, dass ich es nicht wert bin, dass ich sowieso nur ein nutzloser Versager bin.. alles natürlich nicht so klar und deutlich, sondern eher in Form einer sich immer mehr verschlechternden Stimmung.
Normalerweise bin ich eigentlich emotional stabil genug, um nicht diese negative Reaktion zu haben, wenn mich jemand warten lässt. Der rationale Teil meines Gehirns sagt mir dann, dass mein Freund einfach nur zerstreut ist, so wie immer. Wir kennen uns seit 10 Jahren! Ich kenne ihn in- und auswendig. Aber das scheint nichts zu bedeuten in diesen Situationen. Ich vergesse alles, was ich weiß über ihn und über unsere Beziehung. Ich verliere jedes Vertrauen in ihn. Aber warum? Ich verstehe es nicht. Es ist, als wäre ich ein anderer Mensch in dieser Situation.
Naja, und wenn er dann aufmacht, komme ich rein und bin ganz still und schlecht drauf. Das findet er dann wiederum blöd, denn er hat sich auf mich gefreut. Also fragt er, was los ist und ich sage, du hast mich so lange warten lassen. Und dann sagt er "oh nein, nächstes Mal musst du mir 10 Minuten früher schreiben, dann setze ich die Kopfhörer ab". Und da ich sowieso schon emotional am seidenen Faden hänge, fasse ich das als Kritik auf und beschwere mich darüber, dass er jetzt mir die Verantwortung dafür zuschiebt. Naja, und irgendwie landen wir dann in einer 3-stündigen Diskussion, die in einem Streit endet, über unsere gesamte Beziehung und dieses grundlegende Problem, dass ich alles negativ interpretiere, was man irgendwie negativ interpretieren kann, und dass ich in solchen Fällen eben alles vergesse, was wir uns eigentlich aufgebaut haben. Keiner von uns kann seine emotionalen Bedürfnisse loslassen in diesem Moment und deshalb diskutieren wir einfach so lange, bis ich anfange zu weinen (oder zu hyperventilieren^^) und dann brechen wir einfach ab, und meistens ist dann nichts gelöst. Solche Streits haben wir mittlerweile alle 2 Wochen oder so. Es ist so unglaublich anstrengend.
Wir reden so oft darüber, was man machen könnte. Wir haben diese super guten Gespräche darüber, gehen in die Tiefe, reden über unsere Psyche und unsere Vergangenheit und wie sich das wohl alles entwickelt hat, und entwickeln Strategien, die man anwenden könnte.. aber am Ende hilft das alles nichts. Egal wie viel ich rational darüber verstehe, es ist, als ob es einen Teil in mir gibt, der in diesen Situationen komplett das Ruder übernimmt und ich kann nur noch hilflos daneben stehen und zusehen, wie alles kaputt geht. Und dieser Teil lernt nicht und entwickelt sich nicht weiter. Er reagiert nur auf gewisse Trigger und spult sein übliches Programm ab, und das war's. Wenn diese Streits vorbei sind und ich mich wieder beruhigt habe, fühlt es sich an, als ob ich aus einem Traum aufwachen würde. Ich weiß nicht mal mehr genau, was eigentlich passiert ist, erinnere mich nur noch bruchstückhaft. So, als wäre ich ein anderer Mensch gewesen.
Und obwohl ich mich sehr viel damit beschäftige und versuche, diese Mechanismen in mir zu verstehen.. weiß ich nicht genau, wieso das jetzt wieder so ist. Eigentlich hatte ich nämlich riesige Fortschritte darin gemacht, meine Emotionen zu kontrollieren und diesen "verrückten Teil" in Schach zu halten. Am Anfang unserer Beziehung war es schon mal so wie jetzt. Naja, nicht ganz, damals hatte ich z.B. das Problem, dass ich nicht wusste, was ich beruflich machen will und in diesem Bereich sehr wenig Selbstbewusstsein hatte, und in einem überfordernden und freudlosen Studium feststeckte. Und ich kannte meinen Freund noch nicht so gut und hatte große Trennungsängste. Aber was ist es heute? Es ging auf jeden fall durch diese Pandemie bergab, aber ich denke nicht, dass das der einzige Auslöser war.
Der Kontrollverlust, oder diese Übernahme meines Lebens durch negative Gefühle, zeigt sich auch in anderen Bereichen meines Lebens, z.B. läuft auch mein Essverhalten komplett aus dem Ruder und ich habe so viel zugenommen. Ich bin wieder auf dem Gewicht, das ich vor 10 Jahren hatte, dabei habe ich seither eigentlich mal 20 Kilo abgenommen.
Und nun scheint es sich sogar auf die Arbeit auszuweiten. Ich bin paralysiert von dem Gedanken, der schlechteste Programmierer der Welt zu sein, meine Firma nur zu belasten und allen etwas vorzuspielen. Vor ein paar Wochen habe ich eine Gehaltserhöhung bekommen, das hat mich total aus dem Konzept gebracht. Das ist DER Beweis dafür, dass die Firma offenbar denkt, ich bringe Wert, aber ich KANN es nicht glauben.
Das ist alles so crazy. Als hätte ich einen wildgewordenen Affen in meinem Kopf, der alles mit seiner Scheiße vollschmiert. Ich habe ehrlich gesagt Angst, wo das noch hinführen soll. Ich will nicht das Leben meines Freundes kaputt machen. Das hat er nicht verdient. Er braucht Stabilität, besonders jetzt, denn er hat auch eigene Sachen, die ihn belasten.
Help please?